40 bis 50 Wochenstunden sind keine Seltenheit für Medizinstudierende im PJ. 54 Prozent der Befragten aus dem PJ-Barometer 2023 arbeiten so viele Stunden pro Woche in der Klinik, bei fünf Prozent waren es sogar mehr als 50 Stunden. An der Umfrage nahmen 1.700 Medizinstudierende im PJ sowie Ärztinnen und Ärzte, bei denen das PJ nicht mehr als drei Jahre zurückliegt, teil. Der Anteil weiblicher Teilnehmer lag bei 67 Prozent, was auch dem Verhältnis zwischen Frauen und Männern bei den Medizinstudierenden entspricht.
PJ-Leistende als Lückenbüßer
Die wachsende Belastung der künftigen Medizinerinnen und Mediziner lässt sich auch auf den Ärztemangel und fehlende Fachkräfte in den Krankenhäusern zurückführen. Dadurch werden PJ-Leistende oft als „Lückenbüßer“ eingesetzt, weil das Personal fehlt.
„Die Lehrkrankenhäuser und Unikliniken sind zu einer guten praktischen Ausbildung gesetzlich verpflichtet. Wir erwarten, dass sie diesen Auftrag erfüllen und Studierende im Praktischen Jahr nicht wie billige Hilfskräfte behandeln“, kritisiert Pauline Graichen, Vorsitzende des Sprecherrates der Medizinstudierenden im Marburger Bund.
In der Realität sieht es oft bedenklich aus: 76 Prozent der Befragten übernehmen in ihrem PJ bereits ärztliche Aufgaben wie Anamnese, Untersuchung, Diagnosestellung, Aufklärung und Therapieentscheidung, ohne dass ein Arzt oder eine Ärztin die Aufsicht führt. Der Marburger Bund verweist darauf, dass PJlerinnen und PJler zwar abhängig von ihrem Ausbildungsstand ärztliche Aufgaben durchführen sollen, und betont gleichzeitig, dass dies unbedingt nach Zuweisung sowie unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes oder der ausbildenden Ärztin geschehen müsse.
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Auf der anderen Seite sagen 82 Prozent, dass sie auch nichtmedizinische oder nicht-ärztliche Aufgaben wie Botengänge erledigen mussten. Diese Situation kritisieren die Befragten auch in ihren Freitextantworten. Sie fordern Kontrollen und verpflichtende Standards, um nicht als „kostenloser Hakenhalter/Blutabnehmer“ ausgenutzt zu werden.
Vergütung? Weder einheitlich noch ausreichend
Knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent) gibt an, im ersten PJ-Tertial mindestens einmal im Monat Nacht- und Wochenenddienste geleistet zu haben. In 80 Prozent der Fälle wurden diese Dienste nicht zusätzlich entlohnt.
Generell hat sich die Situation der PJ-Leistenden in Bezug auf ihre Vergütung nicht verbessert. 11 Prozent der Befragten erhalten immer noch gar keine Aufwandsentschädigung während ihres PJ, 16 Prozent erhalten monatlich zwischen null und 300 Euro, 61 Prozent bekommen zwischen 300 und 649 Euro und nur zehn Prozent erhalten mehr. Dabei liegt der derzeitige BAföG-Höchstsatz bei 934 Euro monatlich. Der Marburger Bund fordert schon länger, eine bundesweit einheitliche Aufwandsentschädigung für das PJ einzuführen, die mindestens dem BAföG-Höchstsatz entspricht.
Denn ausreichend ist die durchschnittliche momentane Vergütung für ein PJ definitiv nicht. Mehr als 77 Prozent der Befragten geben an, dass sie ihren Lebensunterhalt während des PJ durch die Familie finanzieren, knapp 30 Prozent haben zusätzlich zur hohen Wochenarbeitszeit noch einen Nebenjob. Für 52 Prozent setzt sich die Finanzierung aus einer Aufwandsentschädigung und der Unterstützung durch die Familie zusammen. Ein zusätzliches Problem: Erhalten BAföG-Empfängerinnen und Empfänger eine Aufwandsentschädigung von der Klinik, wird diese angerechnet und vom BAföG abgezogen. „Das empfinde ich als absolut unfaire Bedingung, da neben einer 40 Stunden Woche ein zusätzlicher Nebenjob nicht möglich ist“, kritisiert ein Teilnehmer.
Qualität der Lehre und Wertschätzung gut
Zeit ist während des PJ ein entscheidender Faktor, der für viele zum Problem wird. Durch die hohe Wochenarbeitszeit und den Lernstoff ist ein zusätzlicher Nebenjob, der diese Phase des Studiums finanzieren könnte, oft nicht möglich. Darüber hinaus sagen 60 Prozent der Befragten, dass sie keine Zeit zum Selbststudium neben der praktischen Ausbildung haben. 20 Prozent nutzen sogar die erlaubten 30 Fehltage während des PJ zum Lernen. Krankheitstage müssen auch durch diese 30 Tage abgedeckt werden.
Die Umfrage zeigt aber auch positive Ergebnisse: So beschreiben etwa die Hälfte der Befragten die Qualität der Lehre als gut (34 Prozent) oder sehr gut (16 Prozent), 14 Prozent finden sie unbefriedigend und vier Prozent empfinden sie als schlecht. Auch die Wertschätzung durch Kolleginnen und Kollegen ist positiv: 69 Prozent fühlen sich ausreichend im PJ wertgeschätzt.
Ein Problem bleibt jedoch weiterhin die praktische Arbeit selbst. Nicht einmal die Hälfte der Befragten (45 Prozent) fühlt sich in praktischer Hinsicht ausreichend auf die Aufgaben im PJ vorbereitet. 40 Prozent sagen außerdem, dass an ihrer Lehreinrichtung nicht genug Unterricht oder Seminare für PJ-Leistende stattfindet.
Anästhesie und Innere Medizin weiterhin Spitzenreiter
Und wie sehen die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte ihre Zukunft? Die überwiegende Mehrheit (88 Prozent) wird nach dem PJ in der stationären Versorgung tätig sein, nur sechs Prozent wollen in der ambulanten Versorgung arbeiten. In Bezug auf die Facharzt-Weiterbildung ist die Anästhesiologie Spitzenreiter: 16 Prozent wollen in diesem Fachbereich ihren Facharzt erwerben. Auf dem zweiten Platz steht mit elf Prozent die Innere Medizin, auf dem dritten Platz mit zehn Prozent die Allgemeinmedizin.
Quelle: PJ-Barometer 2023, Marburger Bund