Pathologie als intuitives und essenzielles Fachgebiet

Dr. Edward Georg Michaelis ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Pathologen E.V., Berlin © BF
Mikroskopieren Pathologen nur den ganzen Tag? Und wie viel Realität steckt eigentlich in den Pathologen, die man aus Film und Fernsehen kennt? Auf all das und noch mehr hatte Dr. Edward Michaelis auf dem Operation Karriere-Kongress in Berlin am 3. Dezember die passenden Antworten.

Man kann für Gewebe ein intuitives, visuelles Verständnis haben, ohne dass man weiß, was überhaupt eine Zelle ist. „Wenn ich jemandem, der noch nie etwas von Krebs verstanden hat, versuche Krebs zu erklären, kann ich sehr viele Worte verwenden oder einfach nur ein Bild zeigen“, vergleicht Michaelis. Da sehe man direkt, dass man so etwas nicht im Körper haben wolle. Durch die Zellularpathologie – entwickelt von Rudolf Virchow – wisse man erst, dass man ins Gewebe schauen müsse, um zu verstehen, was Krankheit eigentlich bedeute.

Gewebemedizin und nicht Gerichtsmedizin

Und wie unterscheidet sich die Pathologie, die man in der Universität lernt, von der Pathologie in der Praxis? Die Pathologie und Pathophysiologie an der Universität sei die Wissenschaft, die die Medizin heute untermauere und erst möglich mache. „Das hat aber wenig mit dem zu tun, was wir im Alltag in der Praxis machen“, erklärt Michaelis. Diese Arbeit fasse man besser als „Gewebemedizin“ zusammen. Sie habe nichts mit der Gerichtsmedizin zu tun und auch wenig mit der Pathologie als Grundlagenfach im Medizinstudium.

„Mein persönliches Lieblingsgebiet ist die detektivische Pathologie“, verrät der Mediziner an einem Beispiel. Hier bekomme man Gewebe eines Patienten oder einer Patientin, bei dem noch nicht klar sei, welche Krankheit vorliege. Zur Analyse nutzen Pathologinnen und Pathologen dann neben dem Mikroskop auch Antikörperfärbung oder Molekularpathologie. Aufgrund der hier erzielten Ergebnisse sei eine weitere Behandlung der Patientinnen und Patienten erst möglich.

Moderne Aspekte mit der Molekularpathologie

Die zweite große Aufgabe der Pathologie sei die Qualitätssicherung. „Jedes OP-Präparat landet bei uns“, erklärt Michaelis. Ob es bösartig sei oder nicht, sei dabei nicht relevant. Essenziell zu Betreibung der Medizin als Wissenschaft sei, dass man in der Klinik gestellte Hypothesen auch überprüfe. „Und genau dafür sind wir verantwortlich“, betont er. Das bedeute auch, dass Pathologinnen und Pathologen einen sehr interdisziplinären Austausch pflegen. Eine der häufigsten Fragen nach einer Operation sei beispielsweise, ob ein Karzinom vollständig entfernt worden sei oder nicht.

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Ein weiterer spannender Aspekt der modernen Pathologie sei die Molekularpathologie. Der eigentliche Sitz der Krankheit bei Krebserkrankungen sei das Genom der Zellen. „Das ist ein ganz großer Teil in unserer Arbeit“, sagt Michaelis. Am Beispiel eines Lungenkarzinoms erklärt er, dass aufgrund der vielen möglichen genetischen Veränderungen dieses Karzinoms alle Lungenkarzinoms komplett genomsequenziert werden, um eine zielgerichtete Therapie zu ermöglichen. Das habe dazu geführt, dass die Behandlungsstrategien der Onkologen mittlerweile sehr unübersichtlich seien. „Durch diesen Dschungel findet man nur mithilfe der Pathologie“, weiß Michaelis.

Die Digitalisierung sei auch ein heißes Thema in der Pathologie. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werde man wahrscheinlich nur noch am Bildschirm und mit digitalen Präparaten arbeiten. Die Digitalisierung habe das Potenzial, die Pathologie zu revolutionieren: nämlich durch die Verknüpfung von Bildinformationen der Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE-Färbung) und molekularpathologischen Informationen. Eine KI könne mit genetischen Hintergrundinformationen beispielsweise an einem HE-Schnitt die Möglichkeit geben, genetische Veränderungen zu erkennen, die man mit dem bloßen Auge nicht erkenne.

„Wir Menschen sind ganz natürlich dazu befähigt, Pathologie zu verstehen“, sagt Michaelis. Man müsse es nur angehen.

Quelle: Vortrag „Pathologie – ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, Dr. Edward Georg Michaelis, Bundesverband Deutscher Pathologen e.V., Berlin, Operation Karriere Berlin, 3. Dezember 2022

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