Eigenschutz geht vor!

privat/DÄV
Schnell die Rutschstange hinunter oder zum Rettungswagen rennen? Unser Operation Karriere-Blogger Laurin ist der Idee nicht abgeneigt, weiß aber, dass der Schutz der eigenen Gesundheit Vorrang hat. Doch das sehen nicht unbedingt alle so.

Eine neue Schicht steht an und ich bin gerade mit dem wöchentlichen Einsortieren der Arbeitskleidung beschäftigt, als es an der Tür klingelt. Da sich unsere Rettungswache im ersten Stock über der Fahrzeughalle befindet, brauche ich eine kurze Zeit, bis ich an der Haustür bin. Unten angekommen, treffe ich auf eine Gruppe Kinder, die sich schon voller Vorfreude vor den Toren unserer Fahrzeuggarage versammelt hat. Eine Frau, die sich als Begleitung der Kinder ausgibt, erklärt mir, dass der lokale Kindergarten heute für einen Wachbesuch angemeldet sei. Ich informiere daraufhin meine hauptamtlichen Kollegen und öffne die Tore der Garage – sehr zur Freude der etwa 25 Kinder.

Mein hauptamtlicher Kollege weiß vom Besuch der Kindergartengruppe und beginnt mit einer kurzen Begrüßung, ehe wir den Kindern die Ausstattung unserer Fahrzeuge, das Blaulicht und die Wachräume vorstellen. Ein Kind fragt uns, wo eigentlich unsere „Rutschstange“ sei. Ich brauche einen kurzen Moment, bis ich begreife, was er meint. Mein Kollege erklärt, dass unsere Rettungswache wegen neuer Vorschriften keine Rutschstange mehr eingebaut hätte, wie es in vielen Feuerwachen üblich sei, Grund dafür seien vor allem einrichtungsbezogene Regelungen und die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen.

Rutschstangen und riskante Fahrweise

Mittags am selben Tag denke ich nochmals an die Worte meines Kollegen in Bezug auf die betrieblichen Vorschriften und ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich eine solche Rutschstange selbst eigentlich gar nicht so schlecht fände. Der Eigenschutz geht aber selbstverständlich vor. Häufig wurde ich von Kolleginnen und Kollegen darauf hingewiesen, dass im Falle eines Einsatzes lediglich schnelles Gehen zum Fahrzeug empfohlen sei. Zu oft wäre es zu Stürzen auf der Treppe oder verdrehten Knien durch Rennen zum Rettungswagen gekommen. Mit etwas Abstand zu meiner blutjungen Rettungsdienstzeit muss ich sagen, dass ich diese Thematik tatsächlich nun ähnlich sehe. Natürlich wäre eine Rutschstange, mit der man im Falle eines Einsatzes direkt aus den Ruheräumen in die Wagenhalle rutschen könnte, schön, aber man muss berücksichtigen, dass niemand mit Verletzungen des Rettungsdienstpersonals geholfen ist.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Fahrweise mancher Kolleginnen und Kollegen. Mit Sicherheit sitzt man mit einer erhöhten Anspannung im Rettungswagen, wenn man mit Blaulicht und Signal zu einer Reanimation eines 40-Jährigen anfährt. Jedoch sollte dabei stets berücksichtigt werden, dass, um überhaupt helfen zu können, auch der Rettungswagen sicher am Einsatzort ankommen muss. Riskantes Fahren oder Fahren mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit bringen im Zweifelsfall nur Blechschäden oder Verletzte und helfen damit niemandem weiter, insbesondere den Patientinnen und Patienten nicht.

Extreme Erwartungshaltung

Hinzu kommt der Eigenschutz, den ich bereits in einem Artikel anschnitt, in dem es um die Kohlenstoffmonoxid-Melder ging, die zur persönlichen Schutzausrüstung zählen. Damit ich als Rettungsdienstpersonal Menschen in Not helfen kann, sollte ich zuerst meinen eigenen Schutz garantieren und sicherstellen, dass aus der jeweiligen Notfallsituation keine Gefahr für mich und meine Kolleginnen und Kollegen ausgehen kann. Leider kommt dieser Aspekt immer noch zu kurz. Einerseits ist mein Eindruck, dass der Eigenschutz vor allem von älteren Kolleginnen und Kollegen zu stiefmütterlich behandelt wird, andererseits wird häufig ein gar aufopferungsvoller Einsatz des Rettungsdienstpersonals von Angehörigen oder Umstehenden in Notfallsituationen erwartet. Selbstverständlich gehört ein gewisser persönlicher Einsatz seitens des Rettungsdienstpersonals zu unserem Job dazu, jedoch sollte dieser Einsatz nicht durch extreme Erwartungen oder Selbstüberschätzung herausgefordert werden.

Einige Einsätze später endet meine Schicht und ich stelle meine Arbeitsstiefel, die übrigens mit ihren Stahlkappen ebenfalls zur persönlichen Schutzausrüstung zählen, in meinen Spint. Eine Rutschstange wäre jetzt schon echt komfortabel, denke ich, aber unter dem Strich muss jede und jeder im Rettungsdienst Tätige am Ende der Schicht mit einem guten Gefühl und unverletzt nach Hause gehen können. Ich verlasse die Rettungswache über die Treppe – eine Woche später bricht sich auf derselben Treppe ein Kollege den Oberschenkel, weil er beim Rennen zur Fahrzeughalle auf dem frisch gewischten Boden ausrutschte.

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