Amandeep, was ist die Idee hinter „Medis vs. COVID-19“?
Amandeep: Ich habe die Facebook-Gruppe am Montag (16. März) gegründet. Ich wollte mich selbst auch als Student einbringen und habe auf Anhieb nichts gefunden, wo ich hier in der Region Stuttgart etwas tun konnte. Ich dachte, dass es vermutlich vielen anderen Medizinstudenten ähnlich geht – deshalb habe ich die Gruppe gegründet, um mich mit anderen auszutauschen und nützliche Links mit anderen zu teilen. Ich wollte einfach die Kommunikation zwischen den Medizinstudenten stärken und eine Plattform schaffen, auf der wir uns selbst organisieren können.
Die Idee hat offenbar einen Nerv getroffen. Das Feedback ist ja enorm.
Amandeep: Genau, die Gruppe ist innerhalb von zwei Wochen auf mehr als 20.000 Mitglieder angewachsen. Inzwischen gibt es auch eine Webseite, auf der wir die ganzen Klinik-Gesuche listen. Das Feedback von den Studenten ist sehr positiv – die wollen alle helfen. Die Solidarität ist unglaublich groß. Das spiegelt sich auch in der Mitgliederzahl wider. Man kann so etwas in so kurzer Zeit nur mit motivierten Menschen aufbauen, die wirklich ihren Teil beitragen wollen.
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Wie läuft der Kontakt zu den Kliniken?
Amandeep: Die Kliniken kontaktieren uns per Mail oder telefonisch und fragen uns, ob wir ihre Gesuche auf unserer Webseite einbetten können. Ich frage dann oft nach, ob akut schon Bedarf besteht. Die Aussage ist dann, dass sie sich auf eine Erkrankungs-Welle vorbereiten und die Situation beobachten. Sie wollen sich dafür wappnen, dass in Zukunft mehr Hilfskräfte gebraucht werden. Wenn es dann so weit ist, wollen sie schnell auf die Studierenden zugreifen können.
Welche Tätigkeiten können die Studierenden übernehmen?
Amandeep: Das kommt immer darauf an, wie weit jemand in seinem Studium schon ist. Medizinstudenten im klinischen Bereich – vor allem ab dem 6. Semester – können schon sehr viel machen: Blut abnehmen, Zugänge legen, Patienten aufnehmen und erstuntersuchen. Generell geht es ja vor allem darum, das bestehende Gesundheitssystem zu unterstützen. Und da können die Medizinstudenten auch im Bereich Pflege viel tun.
Wie werden die Studierenden und die Kliniken zusammengebracht?
Amandeep: Momentan listen wir die Kliniken auf der Webseite auf, die sich bei uns melden. Wir bewerben das nirgendwo. Aber das, was wir machen, spricht sich natürlich rum: Die ganzen Webseiten-Aufrufe kommen aktuell über Mundpropaganda und die Facebook-Gruppe. Studenten, die sich beteiligen möchten, schauen dann auf der Webseite nach ihrem Bundesland, und da gibt es dann beispielsweise für Baden-Württemberg 40 Kliniken. Und dann kann man dann die Klinik, die am nächsten zum eigenen Wohnort liegt, auswählen und dort anrufen und seine Unterstützung anbieten. Und dann kann man direkt mit der Klinik klären, wo Hilfe gebraucht wird. Dass viele sehr motiviert sind zu helfen, hat auch das Robert Koch Institut (RKI) gemerkt: Dort haben sie in der vergangenen Woche 500 Studierende gesucht. Über das Wochenende sind 10.000 Bewerbungen eingegangen. Man kann jetzt schwer sagen, wie viel wir dazu beigetragen haben – aber wir hatten das Gesuch auch bei uns gelistet. Das hat sicher einen Teil dazu beigetragen. Inzwischen bekommen wir auch immer öfter Anrufe von Kliniken, die uns bitten, ihre Gesuche wieder rauszunehmen, weil sich schon genug Leute gemeldet haben.
Ihr arbeitet auch mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) zusammen. Wie sieht die Zusammenarbeit genau aus?
Amandeep: Wir haben der bvmd angeboten, zusammenzuarbeiten und gemeinsam ein neues Projekt ins Leben gerufen. Die bvmd vertritt ja in Deutschland über 90.000 Medizinstudierende, die wir dadurch erreichen können. Wir haben zusammen eine Plattform mit dem Namen „Match4Healthcare“ erstellt, die in der vergangenen Woche online gegangen ist. Dort haben wir ein Portal für Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen: Das können auch Arztpraxen oder Labore sein. Wir richten uns damit an ganz verschiedene Einrichtungen im Gesundheitsbereich, die Hilfe benötigen. Außerdem gibt es einen Login-Bereich für Helfende – also für Studierende, Ärzte und Pflegekräfte. Die können dann in einem Anmeldeformular ihre Qualifikation eintragen. Ein Student wird beispielsweise gefragt, in welchem Semester er studiert und wo, ab wann und wie lange er einsatzfähig ist. Und anhand dieser Informationen können die Kliniken dann in einem Filter-basierten System auswählen, wen konkret sie gerade einsetzen können. So werden die Kliniken mit den Studierenden „gematcht“.
Wie nimmst Du aktuell die Stimmung unter den Studierenden wahr?
Amandeep: Ich kann das natürlich nur auf der Grundlage der Facebook-Beiträge beurteilen. Was uns alle im Moment verbindet, ist der Wunsch, einen Beitrag zu leisten. Das ist die Hauptmessage, die man aus der Facebook-Gruppe mitnimmt. Natürlich gibt es vereinzelt auch Postings zu Themen wie Vergütung oder Schutzausrüstung – darüber wird dann auch diskutiert. Aber die generelle Stimmung ist einfach, dass die Studierenden erst einmal helfen wollen.
Wer hat Dir dabei geholfen, das umzusetzen?
Amandeep: Wir sind insgesamt zu fünft im Kernteam: Andreas Zehetner ist hauptverantwortlich für alles, was mit der technischen Umsetzung und dem Design zu tun hat. Er studiert genau wie ich in Bratislava und hat Programmiererfahrung – ohne hätten wir das alles nie so schnell auf die Beine stellen können: Wir hatten 24 Stunden nach Gründung der Facebook-Gruppe eine aktive Website. Ahmed Abdel Rahman pflegt die Website und die Facebook-Gruppe inhaltlich. Außerdem gehören noch Michael Neulinger und Alexandra Diendorfer dazu, die dasselbe Projekt in Österreich auf die Beine gestellt haben.