Zu Beginn meines Studiums standen innerhalb der ersten vier Wochen direkt vier Einstiegsprüfungen an. Geprüft wurden die Fächer Chemie, Physik, Terminologie und Biomathematik. Die Prüfungen sollen dazu dienen, einen einheitlichen Wissensstand in den naturwissenschaftlichen Fächern zu schaffen. Da ich in der Schule sowohl Chemie als auch Physik belegte, hatte ich mit ein bisschen Lernaufwand kein allzu großes Problem mit den Prüfungen, obwohl ich im Hinblick auf meinen Abiturschnitt sicherlich kein Überflieger war.
Nach etwas Austausch mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen erfuhr ich von manchen, die durch die naturwissenschaftlichen Prüfungen gefallen waren, von denen ich ein solches Ergebnis wirklich nicht erwartet hatte. Viele der 1,0-Studierenden hatten die Einstiegsklausuren nicht bestanden. Es war das erste Mal, als ich mir wirklich ernsthaft Gedanken über das Zulassungsverfahren zum Medizinstudium machte. Ich hätte persönlich nie gedacht, dass die Abiturnote eines der schlechtesten Kriterien für die Vergabe eines Studienplatzes überhaupt sein könnte. Aber was war bei unseren Einstiegsprüfungen passiert?
Erfahrungen sollten berücksichtigt werden
Viele der besagten 1,0-Studierenden hatten ihr Abitur in nördlichen Bundesländern mit Leistungsfächern aus dem nicht-naturwissenschaftlichen Bereich abgeschlossen. Bei der Zulassung zum Studium werden die Wahl bzw. die Schwerpunktfächer im Abitur jedoch nicht oder nur sehr gering berücksichtigt, was mich ehrlich verwundert. Ebenfalls werden praktische Erfahrungen, ganz zu meinem Erstaunen, nur sehr gering berücksichtigt. Als ich bereits studierte und in den Semesterferien wieder auf der Rettungswache in meiner Heimat arbeitete, wurde ich häufig gefragt, wie viel mir mein Bundesfreiwilligendienst für die Zulassung zum Medizinstudium gebracht habe. „Erstaunlich wenig“, antwortete ich dann meist.
Je länger ich Humanmedizin studiere, desto eindrücklicher wird mir klar, dass auch bei den praktischen und sozial-emotionalen Fähigkeiten praktisch fast keine Rücksicht im Zulassungsverfahren genommen wird. Ohne jetzt selbst überheblich zu klingen, muss ich sagen, dass sich viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen vor allem, was die Praxis angeht, wirklich schlecht anstellen. Mit Sicherheit muss berücksichtigt werden, dass viele Fähigkeiten und Fertigkeiten erst im Studium erlernt werden und nicht als gegeben vorausgesetzt werden dürfen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass es einen bedeutenden Unterschied macht, ob jemand bereits mit Erfahrung im Medizinbereich in das Studium startet oder eben nicht.
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Zulassungsverfahren muss sich ändern
Meiner Ansicht nach muss im Hinblick auf das Zulassungsverfahren unbedingt nachgearbeitet werden. Die klassische Wartequote, die meist Studienbewerberinnen und -bewerbern mit Vorerfahrung zugutekam, wurde vor ein paar Jahren ebenfalls abgeschafft und war eigentlich das einzige Kriterium, das praktische Erfahrung angemessen berücksichtigte.
Mit Sicherheit muss es für eine faire Vergleichbarkeit ein Kriterium wie beispielsweise die Abiturnote geben, mit der alle Studienbewerberinnen und -bewerber auf einer Art Rangliste eingeordnet werden können. Trotz allem sollten meiner Ansicht nach noch ergänzende Kriterien berücksichtigt werden, die eine angemessene Gewichtung der praktischen Erfahrung zulassen.
Insbesondere im persönlichen Umgang mit den Patientinnen und Patienten sind die Unterschiede zwischen Studierenden mit Erfahrung im Vergleich zu solchen, die wenig oder keine Erfahrung vorweisen können, teilweise gravierend.
Persönlich hoffe ich, dass sich an diesem Umstand in Zukunft etwas ändert, man wird sehen, wie sich das Zulassungsverfahren perspektivisch ändern wird. Unabhängig davon kann ich jedem und jeder aus eigener Erfahrung nur zu einer praktischen Tätigkeit im medizinischen Bereich vor Studienbeginn raten, auch wenn es für das Zulassungsverfahrung nur bedingt Pluspunkte einbringt.