Beim Berufsstart gibt es auch für Medizinstudierende einige Hürden zu überwinden. Dazu gehört zum einen das Vorstellungsgespräch beim möglichen neuen Arbeitgeber und zum anderen der erste Arbeitsvertrag. Auch wenn die Situation am Arbeitsmarkt für künftige Ärztinnen und Ärzte derzeit sehr gut aussieht, bedeutet das nicht, dass sie nicht auch Absagen bekommen können. Eine besondere Herausforderung können kritische Fragen im Vorstellungsgespräch sein, wie Wagner weiß.
Unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch
Denn nicht alle Fragen sind im Vorstellungsgespräch erlaubt. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse an der erfragten Information hat, weil sie für die zu leistende Arbeit nicht relevant ist. Dazu gehören beispielsweise Fragen wie:
- Sind Sie schwanger?
- Haben Sie einen Partner oder eine Partnerin?
- Sind Sie Mitglied einer Partei?
- Sind Sie Gewerkschaftsmitglied?
- Gibt es Erbkrankheiten in Ihrer Familie?
- Welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?
- Welcher Kultur gehören Sie an?
- Sind Sie vorbestraft?
„Sie müssen darauf nicht wahrheitsgemäß antworten“, erklärte Wagner. „Juristisch haben Sie bei diesen Fragen das Recht zur Lüge.“ Natürlich könne es dazu kommen, dass einem im Vorstellungsgespräch beispielsweise die Frage nach der Schwangerschaft gestellt werde. „Dann sagen Sie als junger Mensch mit wenig Berufserfahrung zum Personaler wohl nicht ‚Das dürfen Sie mich nicht fragen‛“, sagte der Rechtsanwalt. Sein Rat: Studierende und Berufsanfänger sollten noch vor dem Vorstellungsgespräch Kontakt zum Marburger Bund aufnehmen und sich dort für diese Situationen beraten lassen.
Allerdings müsse man bedenken, dass eine unwahr beantwortete Frage auch Konsequenzen haben könne. „Ein Arbeitsverhältnis ist auch immer ein Beziehungsverhältnis“, verriet Wagner. „Und das kann durch diese Situationen belastet werden.“ Als schwangere Frau habe man, auch wenn man die Frage nach der Schwangerschaft wahrheitswidrig beantworte und eingestellt werde, einen Sonderkündigungsschutz. „Den haben Sie normalerweise in den ersten sechs Monaten nicht“, erklärte Wagner. Sollte man also im ersten halben Jahr nach Antritt der Stelle eine Kündigung erhalten, könne man dagegen in der Regel nicht vorgehen.
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Wagner beschrieb hier das Beispiel eines Arztes, der innerhalb der Probezeit eine Kündigung erhalten habe. Der Arzt habe seinem Chef mitgeteilt, dass er bald Elternzeit beantragen wolle, was negativ aufgefasst worden sei. Als Kündigungsgrund sei fehlende fachliche Kompetenz angegeben worden. Rechtlich könne man an dieser Kündigung nichts ändern. „Hätte der Arzt uns vorher gefragt, hätten wir ihm geraten, die geplante Elternzeit erst nach der Probezeit anzusprechen“, sagte Wagner. Generell sei es aber trotzdem ratsam, offen mit diesem Thema dem Arbeitgeber gegenüber umzugehen, damit dieser besser planen könne.
Tarifvertrag als sicherer Hafen
Hast du das Vorstellungsgespräch erfolgreich bewältigt und eine Jobzusage erhalten, ist das noch nicht zwangsläufig bindend. „Erst wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben ist, ist es verbindlich“, mahnt der Rechtsanwalt. „Alle mündlichen Zusagen helfen Ihnen im Zweifelsfall nicht.“
Die nächste Hürde ist demnach der Arbeitsvertrag. Den sollten Berufsanfängerinnen und -anfänger genau prüfen. Je weniger Seiten er habe, desto besser sei es, wie Wagner beschrieb. Denn das bedeute, dass ein Tarifvertrag hinterlegt sei, der die wichtigen Aspekte wie Gehalt, Urlaub oder Krankheit und betriebliche Arbeitsvorsorge regle. Für Tarifverträge, die der Marburger Bund mit den Kliniken geschlossen habe, seien dies die TV-Ärzte VKA in der jeweils gültigen Fassung. „Das heißt: In so einem Vertrag gibt es für Sie wenig Regelungs- und Prüfungsbedarf“, verriet Wagner. Gerade im Mai 2023 gab es einen neuen Tarifabschluss zwischen dem Marburger Bund und den kommunalen Kliniken.
Bei konfessionellen Kliniken und Arbeitgebern gebe es allerdings Einschränkungen. Sie lehnen sich zwar an die Tarifverträge des Marburger Bundes an, aber das bedeute nicht, dass sie alle Aspekte des Vertrages auch übernehmen. Gerade bei katholischen Trägern sollte man vorher klären, wie sie die Religionszugehörigkeit oder beispielsweise einen Kirchenaustritt bewerten. „Führen Sie beispielsweise als Arzt oder Ärztin in der Frauenheilkunde einen Schwangerschaftsabbruch durch, sind Sie raus“, erklärte der Rechtsanwalt. Auf solche Zusammenhänge sollte man achten.
Kein Tarifvertrag – was tun?
Generell gelte es bei Arbeitsverträgen, die keinen Tarifvertrag als Grundlage haben oder sich nur an einen geltenden Tarifvertrag anlehnen, genauer hinzuschauen. Denn oft seien sie schlechter als die Tarifverträge. Der Marburger Bund bietet Mitgliedern an, jeden Vertrag vor der Unterschrift zu prüfen und durchzugehen.
Ein wichtiger Punkt im Arbeitsvertrag sei laut Wagner die Befristung. Die meisten Berufsanfängerinnen und -anfänger erhalten zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag. Es müsse jedoch genau geregelt und schriftlich festgehalten sein, wie diese Befristung aussieht. Trete man beispielsweise eine Weiterbildungsstelle an, sollte die Weiterbildung als Vertragszweck im Arbeitsvertrag stehen, ebenso das Fachgebiet, der Arbeitsort und die Befristungsdauer. So sei man abgesichert und könne nicht plötzlich in eine andere Abteilung versetzt werden.
Ein weiteres Problem: Arbeitsverträge ohne Tarifbindung weichen vom Tarifniveau meist nach unten ab. Sie können Vertragsstrafen beinhalten, wenn man das Arbeitsverhältnis beispielsweise vorher kündige. Außerdem können nebenberufliche Tätigkeiten verboten werden, er beinhaltet eine unangemessene Kündigungsfrist oder eine Schweigepflicht gegenüber Kolleginnen und Kollegen. „Das ist nicht seriös“, sagte Wagner. „Wir würden Ihnen dann raten, dort nicht hinzugehen.“
Das regeln Tarifverträge und Zeugnisse
Aber was genau regeln eigentlich die Tarifverträge? Dazu gehören die Punkte:
- Wochenarbeitszeit
- Höchstgrenzen der Arbeitszeit
- Vergütung
- Urlaub
- Zusatzurlaub für Nachtdienste
- Fortbildungsregelungen
„Ganz wichtig sind im ärztlichen Bereich immer noch Zeugnisse“, verriet der Rechtsanwalt. Es gebe aber einen Unterschied zwischen einem Arbeitszeugnis und einem Weiterbildungszeugnis. Auf ein Weiterbildungszeugnis habe man Anspruch, wenn man eine entsprechende Tätigkeit bei einem weiterbildungsermächtigten Arzt oder Ärztin ausübe. Es beinhaltet neben den erworbenen Kenntnissen auch Erfahrungen und Fertigkeiten sowie eine Stellungnahme zur fachlichen Eignung.
Der Marburger Bund ist bundesweit die einzige und größte Gewerkschaft für Ärztinnen und Ärzte mit etwa 135.000 Mitgliedern. Er engagiert sich für gute Arbeitsbedingungen, eine angemessene Bezahlung sowie eine qualitätsorientiere Aus- und Weiterbildung und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Quelle: Operation Karriere-Kongress Frankfurt, 24.6.2023, „Workshop: Der erste Arbeitsvertrag: Worauf Berufsanfänger:innen achten sollten.“, Andreas Wagner, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Geschäftsführer des Marburger Bundes Hessen, Frankfurt a.M.