Aufbruch in eine digitale Zukunft: Erkenntnisse von der DMEA in Berlin

privat/DÄV
Wie digital ist unser Gesundheitssystem eigentlich? Wo gibt es die größten Lücken und wie offen sind Ärztinnen und Ärzte eigentlich für die Digitalisierung? Unser Blogger Laurin berichtet in seinem aktuellen Beitrag von seinen eigenen Erfahrungen – sowohl aus dem Rettungsdienst als auch aus dem Studium.

Anfang April fand in Berlin die DMEA statt, der größte Kongress für digitale Gesundheitsversorgung in Europa! Obwohl die Digitalisierung nahezu alle Bereiche unseres Lebens grundlegend verändert hat, bildet das Gesundheitswesen teilweise noch eine erstaunliche Ausnahme. In vielen Gesprächen, Vorträgen und einer großen Messeausstellung arbeitet die DMEA daran, die digitale Gesundheitsversorgung weiter voranzutreiben und zu verbessern. Trotz der fortschreitenden Technologien hängen viele Prozesse in Rettungsdiensten und Krankenhäusern noch immer an veralteten, analogen Strukturen fest. Die traditionellen Methoden beeinträchtigen dabei maßgeblich die Effizienz und Sicherheit der medizinischen Versorgung. Doch es gibt eine Vielzahl an Ansatzpunkten für eine Verbesserung und Modernisierung dieses veralteten Systems.

Schnelle und präzise Kommunikation nötig

Die papierbasierte Dokumentation ist ein klassisches Beispiel für den analogen Überhang im Gesundheitssektor. Von Patientenakten bis hin zu Einsatzberichten im Rettungsdienst – viele Dokumente werden noch immer per Hand geschrieben und physisch archiviert – und das, obwohl es seit einiger Zeit eine Vielzahl agiler und digitaler Lösungen gibt! Diese analoge Praxis birgt nicht nur das Risiko von Datenverlust und -beschädigung, sondern verlangsamt auch den Informationsfluss zwischen allen beteiligten Akteuren untereinander. In einer Zeit, in der immer noch Sekunden über Leben und Tod entscheiden können, bedeutet jeder zusätzliche Schritt, gesundheitsrelevante Informationen zu erhalten oder weiterzugeben, eine potenzielle Gefahr für die Patienten. Hinzu kommt der Aspekt der Kommunikation: Im Rettungsdienst ist schnelle und präzise Kommunikation lebenswichtig. Dennoch stützt sich die Koordination von Einsätzen häufig auf Funkgeräte und herkömmliche Telefonleitungen, was im Zeitalter digitaler Kommunikationstools wie verzögerte Reaktionen erscheinen kann. Die Einführung moderner digitaler Kommunikationstechniken, wie sie in anderen Notdiensten bereits Standard sind, könnte die Koordination insbesondere in den Rettungsdiensten deutlich verbessern und zu reduzierten Behandlungsprozessen führen. Allzu oft habe ich es in meiner Rettungsdienstzeit selbst erlebt, dass wertvolle Zeit verloren wurde, weil die Entscheidung einer Klinikaufnahme noch am Einsatzort wegen fehlenden Internets oder schlicht nicht existierender Technologie nicht final getroffen wurde. Die Folgen daraus waren stets verschwendete Ressourcen und ein zeitlicher Mehraufwand.

Hand in Hand mit der Kommunikation gehen aus meiner Sicht auch die Schnittstellen der medizinischen Geräte untereinander: Viele medizintechnische Produkte in Kliniken und auf Rettungsfahrzeugen basieren noch auf analoger Technologie. Ein klassisches Beispiel ist die Schnittstelle zwischen EKG-Geräten im Rettungswagen und den Herzkatheterlaboren in den Kliniken. Wie schön wäre es doch, das erhobene EKG flächendeckend aus dem Rettungswagen an den zuständigen Kardiologen in die Klinik senden zu können. Ein Upgrade auf digital vernetzte Geräte, die Echtzeitdaten direkt an das Krankenhaus übermitteln können, würde nicht nur die Diagnosegenauigkeit verbessern, sondern auch die Behandlungszeiten verkürzen und damit wiederum die Behandlungsqualität verbessern.

Neuer digitaler Standard

In einigen früheren Blogartikeln bin ich bereits auf den Aspekt der Aus- und Weiterbildung in der Medizin eingegangen. Die grundlegende Ausbildung, aber auch die medizinische Weiter- und Fortbildung im Gesundheitswesen hinkt häufig hinter den technologischen Möglichkeiten her. Viele junge Mediziner müssen sich mit veralteten Praktiken auseinandersetzen, die wenig Bezug zu den digitalen Tools haben, die in ihrer späteren Karriere zentral sein werden. Bei einem Lehrauftrag, den ich mit meinem E-Learning-Startup „fracto“ übernommen habe, überarbeiteten wir ein Hochschulcurriculum zum Fach Neurologie. Die Vorlage, die wir dabei von der Hochschule erhielten, war von 1980 und die Multiple Sklerose, eine schwerwiegende neurologische Erkrankung, wurde darin nur grundlegend und am Rande erwähnt – ein Desaster. Ich bin deshalb davon überzeugt: Eine Reform der medizinischen Ausbildung, die den Schwerpunkt auf digitale Fähigkeiten und Technologien legt, ist entscheidend, um zukünftige Ärzte und medizinisches Fachpersonal auf die Herausforderungen moderner medizinischer Versorgung vorzubereiten.

Trotz der offensichtlichen Vorteile gibt es erheblichen Widerstand gegen die Digitalisierung. Manche, meist konservative Praktiker befürchten den Verlust von Kontrolle und die Komplexität neuer Systeme, während andere einfach an bewährten Methoden festhalten wollen. Aus meiner Sicht bedarf es einer sorgfältigen Planung, Aufklärung und Kommunikation, um Bedenken zu adressieren und den Übergang zu erleichtern. Die DMEA leistet dazu einen erheblichen Beitrag und bietet jungen, innovativen Akteuren eine schöne Grundlage, neue und intelligente Lösungen für ein digitales Gesundheitswesen vorzustellen.

Abschließend ist mir vollkommen klar, dass eine Vielzahl an Akteuren sowohl im Rettungsdienst als auch im Gesundheitswesen generell, von einer umfassenden Modernisierung profitieren würde. Für diejenigen, die neu im Gesundheitswesen sind, ist es aus meiner Sicht wichtig, direkt mit digitalen Lösungen vertraut zu werden, um nachhaltig innovative Prozesse im Gesundheitswesen zu implementieren. Der Wandel von alten analogen zu modernen digitalen Strukturen ist kein einfacher Weg, aber ein notwendiger, um die medizinische Versorgung sukzessive zu verbessern. Es liegt an uns und zukünftigen Generationen, die analoge Vergangenheit hinter sich zu lassen und einen neuen, digitalen Standard in der medizinischen Versorgung zu setzen.

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