Nach der Weiterbildung zum Facharzt ist die Selbstständigkeit ein mögliches berufliches Ziel. Alternativen sind etwa die Karriere im Krankenhaus, die Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitswesen (bei Ämtern), die Anstellung bei Praxen oder MVZ.
Die berufliche Selbstständigkeit bringt viele Vor- aber auch einige Nachteile mit sich. Vorteile sind insbesondere die Möglichkeit, sein eigenes Berufsleben weitgehend unabhängig von den Entscheidungen anderer zu gestalten, die beruflichen Schwerpunkte, Praxisräume, Mitarbeiter und apparative Ausstattung selbst zu bestimmen. Auch die Nachteile liegen auch auf der Hand: Man trägt das wirtschaftliche Risiko, ist mit großen bürokratischen Belastungen konfrontiert und ein Feierabend ist in den meisten Fällen gar nicht absehbar.
Aber lohnt sich die Selbstständigkeit in der Niederlassung als Kassenarzt finanziell?
Während die Einkommen von angestellten Ärzten zumeist durch Tarifverträge geregelt werden, hängen die Einkünfte von niedergelassenen Ärzten nicht zuletzt von den komplizierten Verabredungen innerhalb der ärztlichen Selbstverwaltung, den Zahlungen der Krankenkassen und den Verteilungsschlüsseln der Kassenärztlichen Vereinigungen ab.
I. Vergleich: Gehalt angestellter Ärzte
Ein Facharzt im Bereich des Tarifvertrages des Marburger Bundes für kommunale Krankenhäuser verdient aktuell im ersten Jahr etwa 5.600 Euro brutto im Monat, dies steigert sich nach den derzeitigen Tabellen bis zum 13. Berufsjahr auf über 7.200 Euro. Ein junger Oberarzt verdient im Krankenhaus etwa 7.000 bis 8.000 Euro. Hinzu kommen noch Bereitschaftsdienstengelte usw.
Werbung
Von den erwähnten etwa 5.600 Euro für einen Facharzt bleiben bei Steuerklasse I (unverheiratet) nach Abzug von Steuern, den Beiträgen zum Versorgungswerk (statt der gesetzlichen Rentenversicherung), zur Arbeitslosenversicherung usw. etwa 3.500 Euro übrig. Hiervon müssen noch die Beiträge für die private oder freiwillige gesetzliche Krankenversicherung abgezogen werden, an denen sich der Arbeitgeber etwa zur Hälfte beteiligt. Der Arbeitnehmeranteil liegt je nach Vertrag, Vorerkrankungen und Alter häufig zwischen 300 und 500 Euro im Monat, kann aber auch deutlich geringer oder höher sein.
Ein Oberarzt oder ein erfahrener Facharzt mit etwa 7.000 Euro Gehalt verdient nach Abzug der eben genannten Abgaben und ohne Berücksichtigung der Krankenversicherung etwa 4.200 Euro im Monat netto. Ein sehr erfahrener Oberarzt verdient etwa 4.800 Euro netto.
II. Die Selbstständigkeit: Umsatz und Gewinn
Wie sieht es aber nun bei den Selbstständigen aus?
1. Umsatz
Relevant ist zunächst der Umsatz, d.h. die Summe aller Einnahmen. Wie hoch die Umsätze eines Arztes sind, hängt von vielen Faktoren ab: der räumlichen Lage der Praxis, den fachlichen und menschlichen Fähigkeiten von Arzt und Personal, dem Interesse des Arztes, “IGeL”-Leistungen anzubieten, und nicht zuletzt den Verteilungskämpfen sowohl innerhalb des GKV-Systems zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor, als auch zwischen den einzelnen Facharztgruppen innerhalb der ambulanten Versorgung.
Die Umsätze mit Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherungen betragen im Durchschnitt aller Arztgruppen etwa 210.000 Euro pro Jahr. Dabei gibt es sowohl große regionale Unterschiede mit einer Spanne die von etwa 170.000 Euro in Berlin bis zu über 240.000 Euro in Sachsen und Thüringen, vor allem aber Unterschiede in den einzelnen Facharztgruppen: Der durchschnittliche Jahresumsatz beträgt bei
- Psychotherapeuten etwa 75.000 Euro, Psychiatern 140.000 Euro
- Kinder- und Jugendärzten, Allgemeinmedizinern, Urologen oder HNO-Ärzten 210.000 Euro
- Orthopäden und Chirurgen etwa 230.000 Euro
- Augenärzten etwa 250.000 Euro
- Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung etwa 270.000 Euro
- Radiologen etwa 370.000 Euro.
Hinzu kommen die Umsätze mit Privatpatienten. Im Bundesdurchschnitt und über alle Arztgruppen hinweg liegt der Umsatz mit Privatpatienten bei etwa 20 Prozent. Diese können also zu den eben genannten Zahlen addiert werden. Auch bei den Umsätzen mit Privatpatienten gibt es wieder große regionale Unterschiede (der Anteil der Selbstzahler liegt in den alten Bundesländern bei etwa 12 Prozent in den neuen Bundesländern bei etwa sieben Prozent) und Unterschiede zwischen den einzelnen Arztgruppen.
2. Überschüsse nach Abzug der Praxiskosten
Von diesen erzielten Umsätzen sind die Praxiskosten abzuziehen. Diese betragen im Durchschnitt aller Arztgruppen etwa 50 Prozent. Dabei gibt es naturgemäß große Unterschiede zwischen der “sprechenden” Medizin, bei der die Praxiskosten bei unter 30 Prozent liegen bis hin zu den Nephrologen, mit über 90 Prozent Praxiskostenanteil. Die hohen Umsätze der technischen Fächer sind daher auch – aber nicht nur – durch die hohen Apparate- und Personalkosten bedingt.
Die Überschüsse aus der vertragsärztlichen Tätigkeit betragen im Durchschnitt 100.000 Euro im Jahr. Deutlich abgeschlagen sind Psychotherapeuten mit etwa 50.000 Euro. In der Chirurgie, der Gynäkologie, der Neurologie und der Psychiatrie werden die durchschnittlichen 100.000 Euro erreicht. Allgemeinmediziner sowie Kinder- und Jugendmediziner erreichen etwa 110.000 Euro, in der Augenheilkunde und bei Internisten ohne Schwerpunktbereich werden etwa 130.000 Euro Überschuss erzielt. Urologen oder Kardiologen erreichen etwa 160.000 Euro Jahresüberschüsse.
Hinzu kommen noch die Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit.
3. Gewinn: Nach Steuern und Versicherungen
Von diesem Überschuss abzuziehen sind dann die Einkommenssteuer sowie Sozialabgaben, d.h. insbesondere Beiträge zum Versorgungswerk (als Äquivalent für die Rentenversicherung), und zur privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung. Die Steuerbelastung hängt von der persönlichen Steuerklasse ab. Die Beiträge zum Versorgungswerk betragen etwa 20 Prozent des Überschusses bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 72.000 Euro, d.h. maximal 14.000 Euro im Jahr.
4. Beispielrechnung für einen Allgemeinmediziner
Jahresumsatz Allgemeinmediziner mit GKV-Versicherten: 210.000 Euro
+ Behandlung von Privatpatienten: 42.000 Euro
= Umsatz: 252.000 Euro
abzüglich Praxiskosten von 50 Prozent: 126.000 Euro
= Überschuss: 126.000 Euro
abzüglich:
– Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag: 43.000 Euro
– Versorgungswerk: 14.000 Euro
Ohne Berücksichtigung der Kosten einer privaten Krankenversicherung verbleibt damit ein Gewinn nach Steuern von 69.000 Euro im Jahr oder etwa 5.700 Euro im Monat. Ein durchschnittlicher selbstständiger Allgemeinmediziner verdient damit im Monat etwa 1.000 Euro mehr als ein erfahrener Oberarzt ohne Bereitschaftsdienstentgelte – soweit die durchschnittlichen Zahlen.
Ob sich Aufwand und Risiken der Niederlassung lohnen, hängt darüber hinaus natürlich von vielen individuellen Vorlieben wie der Möglichkeit, Arbeitsplatz und Kollegenkreis selbst zu gestalten, fachliche Schwerpunkte zu setzen oder dem Wunsch nach (halbwegs) verlässlichen Arbeitszeiten, ab.
Zum Autor:
Dr. Thomas Ruppel ist Rechtsanwalt für Medizinrecht in Lübeck. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald. Bereits während des Studiums richtete er seinen Fokus auf das Medizinrecht. Seinen juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte er am Landgericht in Düsseldorf, bei einer Kassenärztlichen Vereinigung und mittelständischen medizinrechtlichen Kanzleien, die ausschließlich Ärzte und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen beraten. Dr. Ruppel promovierte im Bereich der Versorgungsforschung und war unter anderem für eine internationale Rechtsanwaltskanzlei im Bereich Medizinrecht, Arzneimittelrecht und Medizinprodukte tätig.
Im Jahr 2012 absolvierte Dr. Ruppel den Fachanwaltslehrgang für Medizinrecht. Er veröffentlicht regelmäßig in der juristischen und ärztlichen Fachpresse.
Kontakt:
Website: http://www.gesundheitsrecht.de/medizinrecht-anwaelte/dr-thomas-ruppel/
E-Mail: kanzlei@gesundheitsrecht.de
Telefon: 0451 / 29366 500