„Wo kommst du eigentlich her?“; „Nein, woher wirklich?“ – Wie oft mir diese Frage schon in meinem Leben gestellt wurde, kann ich nicht mehr zählen. Und so geht es sicherlich auch vielen anderen Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Mein Name ist Darya, ich bin 20 Jahre alt und in Heidelberg geboren und aufgewachsen. Sehe aber nicht so aus.
Der Start meiner Eltern in Deutschland
Meine Eltern sind vor über 30 Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen, um der politisch aufgeladenen Situation zu entfliehen und eine gesicherte Zukunft für sich und ihre zukünftigen Kinder aufzubauen. Die ersten Jahre in Deutschland waren für meine Eltern sehr schwer. Ohne die Sprache zu sprechen, versuchten sie in Deutschland ein neues Umfeld aufzubauen, ihre Bildung fortzuführen und Arbeitsstellen zu finden. Sie lernten zunächst beide Deutsch, nicht wirklich flüssig, aber gut genug, um im Alltag zurechtzukommen. Es war außerdem nur für einen der beiden möglich, ihrer Bildung nachzugehen, da sie auf ein Einkommen angewiesen waren und es sich nicht leisten konnten, dass beide einen Abschluss verfolgten. Somit startete mein Vater eine Ausbildung, während meine Mutter (zunächst schwarz) arbeitete. Besonders schwer fiel den beiden die Umstellung von der persischen auf die deutsche Kultur. Im Iran hatten sie etablierte Freundeskreise, waren viel unterwegs und feierten viele Feste mit Freunden und Familie. Von einem auf den anderen Tag hatten sie niemanden mehr, den sie kannten und dem sie vertrauten. „Es war alles so kalt: die Menschen, das Wetter, das Leben“, erzählt mein Papa heute. Dazu kamen noch die Schuldgefühle, ihre Familien und ihre Freunde zurückgelassen zu haben.
Mit der Geburt meines älteren Bruders änderte sich jedoch viel für die beiden. Sie waren es sich nicht mehr nur selber schuldig, sich zu integrieren, sondern nun auch ihrem Sohn. Mein Vater fand einen sicheren Beruf mit seiner abgeschlossenen Ausbildung. Außerdem fanden sie Freunde mit ähnlichen Schicksalen und konnten dadurch sowohl Vergangenes besser verarbeiten und sich gleichzeitig auch nicht mehr so einsam in Deutschland fühlen. Fünf Jahre später kam meine Schwester und bald darauf schlossen sie ihre Familienplanung mit mir ab. Lange habe ich nicht verstanden, wie viele Hürden meine Eltern überwinden mussten, und kann es sicherlich bis heute nicht in vollen Zügen verstehen. Ich weiß nur, dass ihre Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, für uns Kinder das Beste war, was sie hätten machen können.
Anders sein als Teenager
Als Kind fiel mir nicht auf, dass wir mit einer anderen Kultur aufgewachsen sind. Ich fand es cool, dass ich eine weitere Sprache spreche und dass wir doppelt so viele Feiertage feierten. Meine Eltern feierten mit uns nämlich auch christliche Feste, damit wir uns bei unseren Freunden nicht ausgeschlossen fühlten. Ich habe immer stolz über den Iran gesprochen und nicht realisiert, dass die Fragen über meine Herkunft oft nicht nett gemeint waren. Somit war es für mich im Kindesalter nie wirklich Thema, dass ich einen Migrationshintergrund hatte.
Mit der Zeit im Gymnasium änderte sich jedoch viel. Ich besuchte eine katholische Privatschule, die kirchlich gefördert wurde. Mein Jahrgang war dementsprechend nicht wirklich divers. Ich hatte einen rein deutschen Freundeskreis und fing im Jugendalter an, mich viel zu vergleichen, wie üblich als Teenager. Plötzlich fiel mir auf, dass ich einen dunkleren Teint habe. Mir fiel auf, dass ich anders aussah als mein Umfeld. Zu der Zeit hatte ich mit starken Selbstzweifel zu kämpfen. Ich empfand mich als unattraktiv, da ich nicht blond und blauäugig bin und nicht dem europäischen Erscheinungsbild entspreche. Neckende Kommentare aus meinem Freundeskreis, die lustig gemeint waren, waren dabei auch nicht wirklich hilfreich. Mir fiel auch das erste Mal auf, dass meine Eltern einen starken Akzent in ihrem Deutsch haben und dass sie deswegen gelegentlich auch komisch angeschaut wurden.
Es hat viel Arbeit gebraucht, dass ich heute langsam an dem Punkt bin, dass ich mit mir zufrieden bin und diese Unterschiede zelebrieren kann. Wie ich zu diesem Punkt gekommen bin, kann ich gerne in einem anderen Beitrag etwas weiter ausführen.
Das Interesse an Medizin
Ich entwickelte früh ein Interesse für die Medizin. Und als ich das erste Mal meinen Eltern von diesem neu gewonnenen Interesse erzählte, spürte ich ihre Begeisterung. Ich merkte, dass ich es gewissermaßen auch meinen Eltern schuldig bin, mich akademisch im Rahmen meiner Möglichkeiten anzustrengen, um zukünftig meine Optionen offenzuhalten. Denn genau dafür sind sie nach Deutschland gekommen. Damit wir Optionen haben.
Somit habe ich mich in der Schule so gut es ging angestrengt, ohne mein soziales Leben darunter leiden zu lassen, denn mir war schon immer der soziale Ausgleich sehr wichtig. Die Schulzeit schloss ich dann 2020 mit einem Abitur von 1,6 ab. Ich war zwar sehr zufrieden, aber ich wusste auch, dass ich für meinen Traum, Medizin zu studieren, einen besseren Schnitt gebraucht hätte.
Mein nächstes Ziel war somit ein sehr gutes Ergebnis im TMS. Welches ich dann ein Jahr später auch erreichte. Dies ermöglichte mir, an der Universität Heidelberg medizinischen Fakultät Mannheim mit meinem Traumstudium zu beginnen. Ich habe meinen Vater selten stolzer erlebt als an dem Tag, an dem ich ihm von meiner Zulassung erzählt habe. Mittlerweile bin ich nun auch im 6. Fachsemester angekommen.
Ich habe bis heute viel Positives, aber auch Negatives erleben dürfen aufgrund meines Migrationshintergrundes und möchte ein paar Erfahrungen und Gedanken in den folgenden Blogartikeln mit euch teilen!