Unsicherheit – das wird einem schon von „klein auf“ – also schon in den ersten Semestern – sehr deutlich klar gemacht – hat im Krankenhaus nichts zu suchen. Mein Anatomiedozent hat immer gesagt: „Wenn ich Sie nachts um drei aufwecke, müssen Sie mir den Verlauf des Nervus XY ohne nachzudenken beschreiben können!“
Diese Einstellung nimmt man mit, verinnerlicht sie. Für manch einen mag es förderlich sein, etwas Druck gemacht zu bekommen – für mich nicht. Bei mir hat sich das derartig eingebrannt, dass ich mich schon scheue, nachzufragen, wo zum Beispiel das Infusionsbesteck ist. Auch, wenn ich es nicht wissen kann. Unwissenheit und damit Verletzlichkeit einzugestehen – keine Perfektion zu erreichen. Das ist unsinnig und unmöglich, aber tief in mir verankert.
Ist es okay, sich verletzbar zu zeigen?
Dieses Problem, diese Schwierigkeit lässt sich auf so viele Situationen im Krankenhausalltag übertragen – auf den OP oder die Angst vor dem Schwindel oder auf ganz kleine, alltägliche Momente. Es geht darum, Verletzlichkeit zu zeigen und die eigenen tiefsitzenden Ängste und Sorgen zu offenbaren – gegenüber teils wildfremden Menschen, denen man doch gerade beweisen will, dass man das alles kann.
Jeder ist mal unsicher
Vom FSJler bis zum Chefarzt geht es jedem einmal so, dass er unsicher ist – sei es wegen schlechter Erfahrungen mit bestimmten Patientenfällen oder weil man sich in einer neuen Situation befindet. Das hört nie ganz auf. Deshalb ist es so wichtig, einen Umgang mit den eigenen Unsicherheiten zu finden. Für mich besteht dieser Umgang darin, so unangenehm es auch ist, meine Ängste direkt anzusprechen. Vielleicht nicht sofort beim Oberarzt, sondern erstmal bei einem Assistenten, mit dem ich mich gut verstehe oder bei anderen Studenten.
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Auch im Krankenhaus tritt immer mehr ein neuer Umgang in den Vordergrund – gerade unter den jüngeren Ärzten. Eine Assistentin, die ich neulich begleitet habe, sagte zu mir: „Mir ist wichtig, dass du es sagst, wenn du dir mit etwas unsicher bist oder dir etwas nicht zutraust.“
Ich versuche darauf zu hören. Sie hatte mich zuvor darum gebeten, eine Patientin über eine medikamentöse Geburtseinleitung aufzuklären. Und zum Glück sind wir alles noch einmal in Ruhe durchgegangen, zum Glück hat sie das Thema Unsicherheit vorher angesprochen. So hatte ich die Möglichkeit, die Patientin mit einer gewissen Sicherheit aufzuklären und auch keine Angst davor, Rückfragen an die Ärztin weiterzuleiten. Und dennoch: Als ich das Medikament der Patientin bringen sollte, habe ich mich irgendwie nicht wohl gefühlt. Was, wenn die Patientin, die mir jetzt vertraut, das Medikament nicht verträgt? Bin ich dann schuld? Im PJ bekommt man einen Hauch der Verantwortung zu spüren, die man in ein paar Monaten tragen wird. Umso wichtiger ist es, Ansprechpartner zu haben.