Wer kennt das nicht: Bei einer Fallbesprechung im Seminar zerbrechen sich die Studierenden die Köpfe darüber, was der Patient mit Husten wohl haben könnte. Hat er die Pneumonie ambulant oder nosokomial erworben? Welches Erregerspektrum könnte es sein? „Ihr denkt viel zu kompliziert!“, ist der Standardsatz des Dozenten, denn der Patient hat einen banalen Infekt der oberen Atemwege.
Das verkomplizierte Denken der Studierenden raus aus der Uni, rein in die ambulante und „häufigkeitsverteilte“ Medizin zu holen, soll mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 gelingen. Eine neue Ärztliche Approbationsordnung (ÄApprO) soll jetzt starre Strukturen aufbrechen und eine bessere Ausbildung von Ärzten und somit eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung auch in Zukunft gewährleisten. Schaut man sich jedoch den Entwurf der neuen ÄApprO aus dem Bundesgesundheitsministerium an, fällt auf: Dem Bestreben, das Medizinstudium praktischer zu gestalten, steht ein starres Korsett aus Vorschriften entgegen. Staatsexamina alle ein bis zwei Jahre, immer mehr verpflichtende ambulante Praktika. Anstatt die Fächer einzeln zu unterrichten, soll zudem stärker interdisziplinär gelehrt werden und eine Vernetzung des Wissens stattfinden. Und um die wissenschaftlichen Kompetenzen zu stärken, soll eine wissenschaftliche Projektarbeit angefertigt werden.
Erster Modellstudiengang schon 1999
Während im Bundesgesundheitsministerium und anderen Gremien noch diskutiert wird, haben viele deutsche Unis einige Ideen schon in die Praxis umgesetzt – in Modellstudiengängen. Als sich in den Neunzigerjahren Kritik an den veralteten Strukturen und der praxisfernen Gestaltung des Medizinstudiums häufte, macht dies der § 41 der geltenden Ärztlichen Approbationsordnung möglich: 1999 wurde in Berlin der erste Modellstudiengang ins Leben gerufen. Ihm folgten Jahr für Jahr weitere.
Die Modellstudiengänge unterscheiden sich, aber alle verfolgen ähnliche Intentionen. Vor allem die praxisnahe Gestaltung und die Aufhebung der Trennung von Vorklinik und Klinik zeichnet viele Modellstudiengänge aus. Anstatt stupide, wie es sich in der Vorklinik manchmal anfühlt, Fächer zu lernen, ohne zu wissen, wofür man dieses Wissen einmal brauchen soll, wird „organzentriert” gelernt. Hierbei wird jedes Organ ganzheitlich betrachtet: von der Histologie über die Anatomie bis hin zur Pathologie und Krankheitsbildern. Noch dazu werden die Organe nicht einzeln behandelt, sondern in Systemen: Herz-Kreislauf, Bewegungsapparat, Harn- und Geschlechtsorgane und so weiter. Bei all dem spielte früher Patientenkontakt eine große Rolle in den Modellstudiengängen.
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Allerdings geht auch bei den Modellstudiengängen wenig ohne Zwang: viele Studierende kritisieren, das Studium sei „verschult“. Zudem ist häufig ein Wechsel von einem herkömmlichen Studiengang in einen Modellstudiengang (oder umgekehrt) nicht möglich, da sich die Inhalte und (Zwischen-)Prüfungen voneinander unterscheiden. Oft verzichten Modellstudiengänge beispielsweise auf das Physikum. Insgesamt aber ist die Zufriedenheit hoch, die Abbrecherquoten sind gering und auch die Anzahl der Absolventen, die später in der patientennahen Versorgung bleiben, ist hoch.