Neues Tertial, neues Glück: Auf der Inneren

Operation Karriere-Bloggerin Natalja Ostankov | privat / DÄV
Operation Karriere-Bloggerin Natalja hat inzwischen das erste PJ-Tertial geschafft und ist jetzt auf der Inneren. Neben dem Vollzeitjob muss sie sich auch noch um ihre Familie kümmern - und zwar unter Corona-Bedingungen. Wie das aktuell klappt, schildert sie im Beitrag.

Anfang März habe ich mein Chirurgie-Tertial abgeschlossen und bin nun auf der Inneren. Die Internisten sind sehr bemüht, mir etwas beizubringen und rufen mich immer dazu, wenn etwas interessantes passiert. Herzecho, Lufu, Pleurapunktion, Bluttransfusionen anhängen, arterielle Blutentnahme, all das kann ich langsam in mein Repertoire von “schon gesehen” oder “schon gemacht” aufnehmen. Ich hätte nie gedacht, dass man in einem Monat so viel lernen kann. Wenn ich an die Visite am ersten Tag zurückdenke: Da flogen die Fachbegriffe mir nur so um die Ohren, alle 20 Patienten der Station verschwammen für mich zu einem einzigen monströsen Etwas mit allen Symptomen der Welt. Nach jedem Patientenzimmer wurde ich gefragt: “Und, hast du noch Fragen?” Ich konnte nur den Kopf schütteln, wobei mir die Ohren gewaltig schlackerten… Mein Mentor schlug mir anfangs auch noch vor, bald ein Patientenzimmer zu bekommen (er meinte damit die Patienten eines Zimmers so zu betreuen, als wäre ich ihre Ärztin), worauf ich nur sagen konnte: “Wie ich bekomme ein Zimmer? Darf ich mich da ins Bett legen und schlafen?”

Mittlerweile aber bin ich mit den Abläufen so vertraut, dass ich mich bereit fühle, ein paar Patienten als “meine” zu betreuen, natürlich unter Aufsicht des Oberarztes.

Geplant ist außerdem eine Rotation innerhalb des Tertials, sodass ich die ersten acht Wochen auf Station und in der zweiten Hälfte in der Notaufnahme arbeiten werde. Also noch einiges zu Lernen.

Und die Pandemie geht weiter

Die Pandemie macht es uns leider immer noch nicht leicht. Im Januar war unsere Schule im Wechselunterricht geöffnet – das heißt, mein Sohn durfte jeden Dienstag, Freitag und jeden zweiten Donnerstag zur Schule gehen. Eine sehr verwirrende Agenda, die aber nur zwei Wochen anhielt, da die 7-Tage-Inzidenz in unserer Stadt einfach nicht fallen will. Als klar wurde, dass die Schulen so bald nicht wieder öffnen würden, habe ich mit meinem Mentor einen Deal ausgemacht: Ich komme montags und freitags 12 Stunden und an den restlichen Tagen 6 Stunden. So komme ich mit gesetzlichen Arbeitspausen auf ungefähr 40 Stunden, habe die Zeit aber “familientauglicher” eingeteilt.
Zwei Tage 12 Stunden zu arbeiten hört sich zwar anstrengend an, aber es ist auch nicht weniger anstrengend, sich abends nach einem Achtstundentag im Krankenhaus noch um die Kinder zu kümmern. Komme ich dagegen um 21:00 Uhr nach Hause, schlafen sie schon.

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Dafür habe ich im Gegenzug drei Tage, an denen ich um 15:00 Uhr zuhause bin, den ganzen Nachmittag Mama sein und meinem Mann zwischen Homeoffice, Homeschooling und Homebespaßung helfen kann.

Oft scheint es mir wie die Ironie des Schicksals, dass ich genau jetzt PJ mache, wo wir mitten in einer Pandemie stecken. Da habe ich mein ganzes Studium lang so sehr darauf geachtet, für die Kinder da zu sein, nicht zu viel in der Uni zu sein… Und jetzt ist Pandemie, die Schulen sind geschlossen und vor allem mein Sohn braucht mich mehr denn je. Und ich Esel bin Vollzeit in der Arbeit.

Auch wenn ich sie familienfreundlicher aufgeteilt habe, es sind nunmal 40 Stunden, die ich aus dem Haus bin. Meine Tochter hat nicht so große Probleme, sie geht im Kindergarten in die Notbetreuung und hat fast ihren normalen Alltag. Mein Sohn aber, der in der ersten Klasse ist, sehnt sich nach der Schule. Zwar bietet auch die eine Notbetreuung an, es wird aber aus “Gerechtigkeitsgründen” kein Unterricht gemacht. Ohne Unterricht will er nicht in die Schule, da möchte er sich die Zeit lieber alleine zuhause vertreiben. Viele Freunde, mit denen er sich treffen könnte, hat er auch noch nicht finden können, da kurz nach unserem Umzug hierher die Pandemie losging. So sitzt mein armer Sohn fast den ganzen Tag alleine zu Hause und wird immer lethargischer…

Zum Ausgleich versuche ich, die wenige Zeit, die ich zu Hause bin, nur den Kindern zu widmen.

Overload

Ohne Zeit zu haben, die vielen neuen Eindrücke aus der Klinik zu verarbeiten, hetze ich nach “Feierabend” nach Hause und versuche, eine gute Mutter zu sein. Ich rotiere zwischen Familienalltag und Krankenhausalltag, ohne zwischendrin mal durchzuatmen. In den ersten Wochen merkte ich, dass es mir schwer fiel, mich von den vielen Patienten-Schicksalen auf Station zu distanzieren. Weil ich eben von einer Aufgabe in die nächste stürzte, und mir keine Gelegenheit gab, meine Eindrücke zu sortieren. Zu Hause kann ich mir nicht so einfach alles von der Seele reden. Erstens brabbeln die Kinder immer dazwischen und zweitens ist mein Mann kein Arzt, und beim Abendessen mal eben über Erysipele oder GI-Blutungen oder Suizidversuche zu reden, das kann man kaum einem nicht-Mediziner zumuten. So hatte ich einen regelrechten Emotionen-Overload, der sich aufstaute und aufstaute.

Die Balance zwischen Arbeit und Familie

Ich will alles unter einen Hut bekommen, ohne irgendwo Abstriche zu machen.

Unter der Woche herrscht Druck, in der Klinik zurecht zu kommen. Am Wochenende herrscht Druck, die wenige Zeit mit den Kindern zu genießen. Ich halte durch, jeden Tag neu: Aufstehen, Arbeiten, zu Hause für die Kinder da sein. Am Ende bin ich jedoch einfach überfordert; überfordert von meinen eigenen Ansprüchen an mich. Irgendwo muss ich Abstriche machen, ich kann nicht genauso präsent als Mutter sein, wie vor dem PJ. Das zu akzeptieren, war der erste Schritt. Der zweite war, Zeitpuffer für mich einzubauen. Nachdem ich mich blitzschnell umgezogen habe und flinken Schrittes am Auto angekommen bin, setze ich mich rein, schließe die Tür und lasse die Welt für einen Moment draußen. Ich setze meine Kopfhörer auf, und lausche nur meinem Atem oder einem Lied. Fünf bis zehn Minuten, dann starte ich mit geglätteten Stressfältchen auf der Stirn und einem Lächeln den Motor und freue mich auf meine Kinder.

Bei gutem Wetter fahre ich mit dem Fahrrad, obwohl der Weg dann kostbare 20 potentielle Familien-Minuten länger dauert. Dafür genieße ich die frische Luft und die Bewegung und komme gut gelaunt zu Hause an.

Es ist eine hohe die Kunst, Ausgeglichenheit zwischen Beruf und Familie zu finden – ohne sich selbst dabei zu vergessen. Eines weiß ich jetzt schon: Nach Abschluss des Studiums werde ich so schnell nicht wieder Vollzeit arbeiten…

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