Mediziner auf Abwegen – Teil 7: Die Romanautorin Dr. Eva-Isabel Schmid

Dr. Eva-Isabel Schmid arbeitet als Hausärztin in der Nähe von Zürich. Außerdem hat sie einen historischen Roman über Paracelsus geschrieben.
Die Heilkunde im Spätmittelalter hat auf den ersten Blick nur wenig mit der High-Tech-Medizin im 21. Jahrhundert zu tun. Doch gerade das fasziniert die Hausärztin Dr. Eva-Isabel Schmid: Sie ist tief in die Vergangenheit der Medizin eingetaucht und hat einen historischen Roman über den mittelalterlichen Arzt Paracelsus geschrieben.

Frau Dr. Schmid, Sie haben neben Ihrer Arbeit als Hausärztin auch ein Buch über Paracelsus geschrieben. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, nicht nur Ärztin, sondern auch Romanautorin zu werden?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Ich habe schon seit meiner Kindheit gern Geschichten geschrieben – seit ich überhaupt schreiben konnte (lacht). Das war immer mein Hobby. Aber dass sich einmal mehr daraus entwickeln würde, konnte damals keiner ahnen. Es ist deshalb wirklich super, dass ich jetzt tatsächlich ein Buch veröffentliche – für mich geht gerade ein Traum in Erfüllung.

Worum geht es denn – grob zusammengefasst – in dem Roman „Paracelsus – Auf der Suche nach der unsterblichen Seele“?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Der Roman spielt im wunderschönen Basel zur Zeit der Reformation. Kernthema ist, dass Paracelsus die Seele des Menschen für etwas physisch Greifbares hält und sie im menschlichen Körper finden möchte. Denn er ist der Ansicht: Solange niemand die Seele im Körper verortet hat, kann er als Arzt seinen Patienten immer nur in gewissen Grenzen helfen. Dabei verrennt er sich ein bisschen.

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Warum haben Sie sich entschieden, über Paracelsus zu schreiben?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Es lag irgendwie auf der Hand, als Ärztin einen Medizinroman zu schreiben. Paracelsus ist eine spannende Figur: Seine Lehren haben die Medizin Mitteleuropas verändert und prägen sie bis heute. Er hat eine literarische Aufarbeitung seines Lebens einfach verdient.

Was für ein Mensch war Paracelsus? Wie stellen Sie sich Ihre Hauptfigur vor?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Er war schon ein Mensch mit Ecken und Kanten und sicher nicht „Everybody‘s Darling“. Aber ich denke, es ist historisch gesichert, dass er ein Arzt war, der sich immer aufrichtig und ehrlich für seine Patienten eingesetzt hat und alles versucht hat, um ihnen zu helfen. Ich finde, daran kann man sich auch heute noch gern ein Beispiel nehmen.

Wie viel Recherchearbeit steckt denn in dem Buch?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Es gibt drei verschiedene Handlungsstränge, die unterschiedlich aufwendig bei der Recherche waren. Im ersten Handlungsstrang geht es um die Reformation in Basel. Dafür habe ich sehr viel recherchiert. Ein paar Dinge habe ich natürlich zugunsten der Handlung abgeändert – es ist ja ein Roman. Für den medizinischen Handlungsstrang habe ich auch relativ viel recherchiert: Was hat man im Mittelalter in der Medizin gelehrt? Was waren die damaligen Ansichten? Welches Medizinverständnis hatte Paracelsus, und wie hat er die Medizin seiner Zeit erneuert? Das habe ich dann durch mein eigenes medizinisches Wissen ergänzt. Da geht es beispielsweise darum, welche Pflanzen und Kräuter Paracelsus naturheilkundlich eingesetzt hat. Im dritten Handlungsstrang geht es um die Seelensuche: Das ist tatsächlich frei erfunden.

Wie viel von Paracelsus steckt denn heute noch in der modernen Medizin?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Wir haben Paracelsus letztlich zu verdanken, dass das ganze Feld der Naturheilkunde in Europa bis heute sehr populär ist – auch wenn viele Schulmediziner das ja etwas skeptisch sehen. Auch unser Verständnis von Psychosomatik und ganzheitlicher Medizin ist auf Paracelsus zurückzuführen. Darüber hinaus sagt man ihm auch noch vieles nach, was historisch nicht gesichert ist: Beispielsweise soll er angeblich das süße Dessert nach dem Essen erfunden haben, um die Verdauung anzuregen. Und er soll auch eine frühe Form der Psychotherapie entwickelt haben. Er hat das monokausale Denken des Mittelalters aufgebrochen und nach verschiedenen Ursachen gesucht, die in Wechselwirkung zusammenspielen und so ein Krankheitsbild erzeugen. Das war damals neu und ist eine geistige Errungenschaft von Paracelsus.

Was fasziniert Sie so am Genre des historischen Romans?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Historische Romane geben uns die Möglichkeit, in eine andere Welt abzutauchen. Vieles, was früher ganz normal war, erscheint uns heute kaum noch vorstellbar und surreal – das finde ich sehr spannend. Und wenn der Roman gut recherchiert ist, kann man spielerisch und ganz nebenbei auch noch etwas über Geschichte lernen.

Sie arbeiten parallel auch in Ihrer Praxis – haben also quasi zwei Berufe. Wie organisieren Sie sich da?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Das ist nicht immer einfach – vor allem, weil man zum Schreiben ja eine gewisse Ruhe braucht. Es funktioniert leider selten, dass man sich nach der Arbeit noch mal zwei Stunden hinsetzt und schnell mal ein Kapitel tippt. Momentan opfere ich dafür viele Wochenenden – sehr zum Leidwesen meines Mannes. Die Zeit zu zweit muss momentan zurückstecken. Gerade ist es ziemlich turbulent – mein Buch ist Anfang November erschienen und derzeit stelle ich die Fortsetzung fertig. Ich hoffe aber, dass mein Leben irgendwann auch wieder entspannter läuft.

Wie beeinflusst Ihre Erfahrung als Ärztin Ihre schriftstellerische Arbeit?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Die medizinischen Kapitel habe ich natürlich besonders gern geschrieben – das ging mir auch schnell und leicht von der Hand. Vieles davon habe ich ja als Ärztin selber schon erlebt. Am Anfang des Buches gibt es beispielsweise eine Szene, in der Paracelsus gemeinsam mit seinem Freund Leichen seziert. Da habe ich meine eigenen Eindrücke aus dem Präparierkurs im Studium verarbeitet – das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Meine Medizinerfreunde freuen sich immer, wenn sie sich und unsere Arbeit auch in dem einen oder anderen Kapitel wiederfinden. Der Arzt-Patienten-Kontakt zieht sich einfach durch die Jahrhunderte.

Was für schriftstellerische Projekte haben Sie denn für die Zukunft geplant?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Der zweite Teil von Paracelsus erscheint 2021. Auf absehbare Zeit beschäftigt mich das noch genügend (lacht). Aber weitere Projekte sind in Planung. Dann möchte ich gern mal das Genre wechseln und über zeitgenössische Themen schreiben.

Können Sie sich denn vorstellen, irgendwann nur noch zu schreiben und die Praxis dafür aufzugeben?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Auf absehbare Zeit werde ich auf jeden Fall weiter als Ärztin arbeiten. Es macht mir zu viel Spaß, um den Beruf ganz an den Nagel zu hängen. Ich finde gerade die Kombination aus einem manchmal turbulenten Praxisalltag auf der einen Seite und dem ruhigen, introvertierten Schriftstellerdasein auf der anderen Seite im Moment toll für mich.

Was haben die Schriftstellerei und die Medizin gemeinsam?

Dr. Eva-Isabel Schmid: Auf den ersten Blick sind das natürlich zwei sehr unterschiedliche Berufe. Aber für beides braucht man sehr viel Liebe, sehr viel Geduld und sehr viel Idealismus. Das haben die beiden Berufe gemeinsam.

Buchtipp:

Eva-Isabel Schmid, Paracelsus – Auf der Suche nach der unsterblichen Seele
© Piper Verlag, 2020
440 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50400-3
Preis: 18,00 Euro

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