Und wieder steht das Staatsexamen an

Operation Karriere-Bloggerin Natalja Ostankov | privat / DÄV
Unsere Operation Karriere-Bloggerin Natalja Ostankov lernt für das Staatsexamen – schon wieder. Denn im Frühjahr war die Prüfung wegen Corona ausgefallen. Wie es ihr diesmal bei der Prüfungsvorbereitung geht, schildert sie im Beitrag.

Ich war noch nie so müde.

Und da ich ein alter Hase bin, habe ich keine Angst, an Polymyositis, Myokarditis oder irgendeiner anderen exotischen Krankheit zu leiden. Als ich angefangen habe, mich auf das Staatsexamen vorzubereiten, hatte ich durch die Bank alle Symptome jeder einzelnen Krankheit, die sich im IMPP-Katalog befinden. Aber jetzt bin ich einfach nur müde. Obwohl ich viel zu viel schlafe: Ich schlafe mit den Kindern um 21:00 Uhr ein und stehe mit ihnen um 6:30 auf. Trotzdem fallen mir die Augen zu, wenn ich auf den Bildschirm starre. Ich sollte lernen, aber ich starre. Und dann gehen sie langsam zu, die Äuglein.

Eigentlich sollte man in einer solchen Situation eine Lernpause, die sogenannte radikale Ambossektomie, vornehmen. Aber dafür ist keine Zeit; noch knapp zwei Wochen und ich bin erst bei Tag 65 (von 100). Ich habe zwar eine Grundlage, nichtsdestotrotz merke ich beim Kreuzen, dass ich so viel vergessen habe, dass ich mehr rate als weiß.

Die entspannte Natalja aus dem letzten Beitrag, die lernt, ihr Leben ineffizienter und dafür glücklicher zu gestalten, ist verpufft. Übrig bleibt ein Nervenbündel, das versucht, den Familienalltag auf die Reihe zu bekommen, obwohl der Kopf im bewölkten Medizinhimmel steckt.

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Die Nachwehen des Lockdowns

Seit einem Jahr lerne ich für das Staatsexamen (mit Corona-Sommerpause); langsam wird’s wohl einfach zu viel. Und dieses Jahr war nicht ohne: Unser Umzug, der Lockdown mit Kindergartenschließung…

Zwar ist der Lockdown vorbei, unser Alltag ist wieder mehr oder weniger etabliert, doch spürt man die Nachwehen dieses turbulenten Sommers – gerade bei den Kindern. Mein Sohn klagt ständig über Langeweile, eine Konsequenz der mangelnden Förderung in den letzten Monaten. Kein Turnen, kein Basteln, keine Vorschule; nur schmächtige Kompensationsversuche einer überforderten Mutter innerhalb der eigenen vier Wände. Da legt sich Trägheit auf’s Gemüt, die nicht so einfach abzuschütteln ist. Extra Klebekraft verleiht ihr die Vorahnung von einem zweiten Lockdown, à la “Lohnt sich doch gar nicht, jetzt was neues anzufangen. Am Ende zahle ich ein ganzes Schuljahr für Klavierunterricht und er kann nicht hingehen.”

Meine Tochter hat sich als eines der Kinder entpuppt, denen ein voraussehbarer Alltag mit Kindergarten und sozialen Kontakten dabei hilft, das Chaos der sprießenden, sich verzweigenden, ununterbrochen neue Verbindungen eingehenden Dendriten und Axonen ihres aktiven Köpfchens in Schach zu halten. Gegen Ende dieses alles andere als strukturierten Sommers fing ihr Gemüt an, sich in exzessive Wutausbrüche zu ergießen.

Alles in allem trägt die Nervosität, die unter Erwachsenen herrscht, ihren Teil dazu bei, Kinder aus ihren “good vibes” zu bringen. Und meine persönliche Nervosität, die sich aus dem noch nicht bestandenen Staatsexamen nährt, macht das auch nicht besser.

Neue Zeitslots

Seit September geht mein Sohn in die Schule (Schluss mit der Langeweile!). Mit der Einschulung beginnt eine völlig neue Zeit, von den Kindern wird eine ungekannte Selbständigkeit verlangt – und von den Eltern somit ein ganz neues Loslassen. Ich durfte ihn nicht ein einziges Mal ins Klassenzimmer begleiten! Ich muss ihm 60 Euro für Schulmaterial in die Hand drücken und hoffen, dass sie beim Lehrer ankommen. Mein Sohn war von Geburt an Sternengucker, verträumt bis zum Gehtnichtmehr. Und nun soll er alles selbst machen. (Wie nervös war ich am zweiten Schultag, dass er sich in der Schule nicht verirrt!)

Und dann kommt er auch noch um 11:30 Uhr nach Hause – da habe ich gerade mal angefangen, mein Bildschirm-Starren in aufnahmefähiges Lernen umzuwandeln.

All diese Umstellungen und der Zeitmangel machen mich wahrscheinlich so müde, dass ich mich kaum auf den Lernstoff konzentrieren kann.

Unsicherheit auch in Zukunft

Nervenbündel-Trigger Nr 3: Die Angst davor, zum Termin des Staatsexamens in Quarantäne zu sitzen.

Letzte Woche gab es in unserem Kindergarten zwei Corona-Fälle, zu unserem Glück in der Parallelgruppe. Die betroffenen Kinder und Erzieherinnen wurden allesamt in Quarantäne geschickt und unsere Gruppe auf zehn Kinder reduziert. Meine Tochter ist noch drin, aber ich bange. Zwar wurden Gruppen seit Juli streng getrennt – verschiedene Eingänge, abgesprochene Gartenzeit, kein Spielzeugaustausch. Dennoch hatten die Erzieher der zwei Gruppen untereinander Kontakt, was unvermeidlich ist.

Es gibt nur eine Toilette für Erwachsene, eine Küche mit Kaffeemaschine und einige Geräte (Bügeleisen für Bügelperlen, Laminiergerät etc) wurden auch nicht eigens für die Corona-Zeit doppelt angeschafft. So kommt es, dass nun auch eine Erzieherin aus unserer Gruppe in Quarantäne sitzt; wir warten gespannt auf das Testergebnis und darauf, wie es weiter geht. Wird der Kindergarten geschlossen, werde ich keine Zeit mehr zum Lernen haben. Bleibt der Kindergarten offen, besteht die Gefahr, dass sich der Virus trotz aller Bemühungen weiter ausbreitet und ich genau dann in Quarantäne sitze, wenn das Staatsexamen stattfindet.

Ich weiß wirklich nicht, was mir lieber ist…

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