Rate, rate Kreuzchen

Operation Karriere-Bloggerin Natalja Ostankov | privat / DÄV
Umzug, Weihnachten mit der Familie und gleichzeitig fürs Staatsexamen lernen. Im Beitrag schreibt unsere Operation-Karriere-Bloggerin Natalja über den alltäglichen Wahnsinn zwischen Lernplan, Tannenbaum und neuen Vorhängen.

Eine Studentin ist aus dem Häuschen: Umzug in einen Neubau, zwei Kinder, Staatsexamen und vergangenes Weihnachten (es kommt vor, als wäre es Lichtjahre her): Das ist eindeutig zu viel.

Sollte jemand, der das hier liest, Ähnliches vorhaben, lasst euch raten: Tut es nicht! Ich habe über Weihnachten – anstatt wie vorgehabt täglich zwei bis vier Stunden zu lernen – drei Wochen lang gefühlt 24 Stunden pro Tag Kisten eingepackt, ausgepackt, Möbel zusammengeschraubt, unpassende Teile reklamiert und Bohranweisungen gegeben. Ja, und geputzt habe ich auch alle zwei Tage, denn so ein Umzug hinterlässt schon seine Patina auf den schönen neuen Böden. Drei Wochen sind ins Land gezogen und ich habe nichts gelernt. Null. Dass mich der Amboss-Lernplan in meinen Albträumen verfolgt, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

Als ich mich dann das erste Mal zum Lernen hinghesetzt hatte, fingen mehrere Stimmen in meinem Kopf an, wild durcheinander zu reden:

Plissées anbringen! Damit der Nachbar nicht ins Bad gucken kann; Prader-Willi, oder war das Prada-Gucci? Fenstermaße 100×120, oh fast ein Schenkelblock! Fallot-Tetralogie, Duschbrause bestellen!! Doch lieber die beigen Vorhänge? Oh, nein, unser Debré-de-Toni-Fanconi Bett, es fehlt die Matratze.
Leishmaniose in der Hose, happy Birthday to you! Zwiebelschalenartige Verdickungen, oh, wir müssen noch einkaufen gehen! Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, die Oma hängt am Gartenzaun… Den müssen wir auch noch aussuchen.

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Das IMPP-Ratespiel

Mittlerweile ist über ein Monat vorbei und der Umzug ist noch lange nicht erledigt. Noch warten mehrere Möbel in der Garage darauf, eine neue Bestimmung im neuen Heim zu bekommen. Noch wartet ein Haufen Gardinen darauf, gewaschen und aufgehängt zu werden. Noch immer wartet all meine Kleidung darauf, aus den Kartons in den Schrank umzuziehen, den ich noch nicht aufbauen konnte, weil ein falsches Teil geliefert wurde – oh liebes schwedisches Möbelhaus!!!

Wenigstens meine Lernsituation hat sich, sagen wir, gebessert. Gut würde ich sie noch nicht nennen, aber immerhin. Denn nach ein paar Tagen, an denen ich mich zwischen all den Schrauben und unfertigen Möbeln je ein bis zwei Stunden zum Lernen hingesetzt hatte, wurde es besser; meine Gedanken bahnten sich wieder gewohnte, medizinische Wege, ohne in die Welt des Bauens abzubiegen. Wie man so schön sagt: Übung macht den Meister.

So übrigens auch im Kreuzen der Altfragen. Obwohl ich das Gefühl habe, nach dreieinhalb Monaten des Lernens nicht viel schlauer zu sein als zuvor (ich armer Tor), kreuze ich die Altfragen echt gut – gut heißt in meinem Fall knapp über 60 Prozent. Kinder deckeln Ehrgeiz. Wenn ich vier Antwortmöglichkeiten habe, finde ich intuitiv oft genug die richtige.

Nachschlagen statt Auswendiglernen

Eigentlich müsste ich mich darüber freuen, doch: Wie soll ich mit diesem gefährlichen Halbwissen im Klinikalltag zurecht kommen? Da habe ich keine vier Antwortmöglichkeiten mehr… Dafür aber mehrere Kitteltaschen randvoll mit Merkzetteln und Mini-Nachschlagewerken – und diverse Apps auf dem Handy. Überhaupt sehe ich wenig Sinn in diesem Auswendiglernen von Dingen, die man heutzutage innerhalb weniger Sekunden nachschlagen kann. Und das auf Plattformen, die regelmäßig aktualisiert werden – im Gegensatz zu Büchern oder Gedächtnissen.

So richtig verinnerlichen kann man sich sowieso nur Sachen, die man tagtäglich anwendet – wie es dann später sein wird. Also lerne ich was geht auf Verständnis – und die Auswendig-Themen gerade so, dass ich das Rate-Rate-Kreuzchen Spiel gewinnen werde. Müsste. Und natürlich zweifle ich nicht an dieser Lerntechnik. Nie.

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