Karriereplanung ist für viele Medizinstudenten weit entfernt. Ganz einfach: Nach der Uni kommt die Klinik und danach eventuell mal die Niederlassung. Auch ich habe mir lange keine Gedanken darüber gemacht. Nun, da ich regelmäßig hier in der Operation Karriere-Blogger Zone schreibe, da sich mein Studium langsam dem Ende neigt und vor allem da ich Informationen darüber brauche, wie ich Kinder und Karriere vereinen soll, habe ich dieses Jahr mit Freude dem Operation Karriere-Kongress in München entgegengefiebert.
Nachdem ich von den Empfangsdamen in grüner OP-Kleidung mein Namensschildchen ausgehändigt bekommen und mich zu einem der Workshops angemeldet hatte, hetzte ich zum ersten Vortrag, den ich leider nicht von Anfang an mitverfolgen konnte, da ich geradewegs von einer Klausur kam. Der Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer (man sieht, es waren hochkarätige Referenten eingeladen!) sprach davon, wie sich unsere Weiterbildung im Laufe der Zeit ändern werde; vom elektronischen Logbuch, in das während der Weiterbildung erworbene Kompetenzen eingetragen werden würden bis zu Übungen an Simulatoren, bevor der Chirurgie-Assistent seine erste echte Osteosynthese am Patienten mache.
Nach diesem Vortrag gab es eine Kaffeepause, in der kostenlos kulinarische Leckerbissen angeboten wurden. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich ein bisschen auf der Messe umzusehen. Viele Kliniken hatten Stände aufgebaut, die Teilnehmer des Kongresses konnten zu jedem potentiellen Arbeitgeber gehen, sich kennenlernen, Fragen stellen; kurzum, erste Kontakte zur Arbeitswelt knüpfen. Es gab eine Jobbörse, auch professionelle Bewerbungsfotos konnte man anfertigen lassen.
Was bieten Kliniken speziell für junge Ärzte mit Kindern?
Auffallend war, dass vor allem Kliniken vom Land präsent waren, die wohl die Konkurrenz durch Kliniken in Großstädten spüren. Als einzige Fachrichtung war die Arbeitsmedizin mit gleich zwei Ausstellern vertreten. Sie wirbt mit geregelten Arbeitszeiten und einem Arbeitsalltag, der sich leicht mit Familie und Co. vereinen lässt. Da genau hier mein Steckenpferd liegt, habe ich auch bei ein paar Kliniken nachgefragt, wie sie ihre Arbeitnehmer dahingehend unterstützen. Ein paar haben eigene Kindergärten, eine Klinik (leider in Österreich) bietet sogar Betreuung der Kinder während der Nachtdienste an: Die Ärztin oder der Arzt kann seine Kinder mitnehmen, sie werden von einer Betreuerin zu Bett gebracht und schlafen dann im Krankenhaus, während Mama oder Papa Nachtdienst schieben. Meiner Meinung nach eine geniale Idee. Insgesamt war zu spüren, dass Krankenhäuser sich langsam Gedanken über ein besseres Arbeitsklima und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie machen.
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Nach der Kaffeepause kam eine Reihe interessanter Vorträge und Workshops. Leider überschnitten sich manchmal die Termine, so dass ich zum Beispiel vom Arbeitsmedizin-Workshop früher gehen musste, um rechtzeitig zum Vortrag “Beruf, Karriere, Familie und Freizeit – Ergebnisse des Arztbarometers” da sein zu können. Der Großteil unserer Generation strebe dem folgenden Referenten zufolge die Niederlassung an. Er nannte diese Generation die Generation XY: Eine ausgeglichene Work-Life-Balance sei ihr so wichtig wie keiner anderen zuvor. Und sie sei sich ziemlich sicher, dass diese Balance als Angestellter in der Klinik schwer zu erreichen sei. Darum fangen nun auch Kliniken an, sich um ihre Arbeitnehmer zu bemühen, der Ärztemangel verstärkt diese Tendenz noch.
Diese Worte brachten einen Gedankengang in meinem Kopf zum Laufen: Ja, Medizin hat erstaunlich wenig mit Wirtschaft zu tun (einer der Gründe, warum ich mich für Medizin entschieden habe), mit sich verkaufen, Kunden anwerben und Konkurrenten ausstechen. Doch ganz abgeschnitten sind wir nicht von der Welt. Und dieser Kongress hilft, die Schnittstelle zu verstehen: Wo brauchen wir Mediziner Wirtschaft, wo brauchen wir die Soft Skills, die ein BWLer mit der Muttermilch trinkt? Nicht im Krankenhaus, nicht allzusehr in der Praxis – unsere Zielgruppe ist weit gefächert, unsere Kunden kommen von ganz alleine zu uns – aber auf dem Arbeitsmarkt.
Wir dürfen fordern!
Denn durch den Ärztemangel befindet sich unsere Generation in einer außergewöhnlichen Situation: Wir werden gebraucht, die Kliniken suchen händeringend nach Nachwuchs. Deshalb (und hier kommt Angebot und Nachfrage ins Spiel) dürfen wir fordern. Deshalb dürfen wir fordern, dass die Musterweiterbildung gelockert wird, dass die Arbeitszeiten geregelter werden, dass für Kinderbetreuung gesorgt wird. Kurzum, dass wir unsere Work-Life-Balance bekommen, die uns so wichtig ist.
Apropos Work-Life-Balance: Leider konnte ich nur bis Mittag bleiben, da am selben Tag in unserer Kita Sommerfest war und meine Kinder ein kleines Theaterstück aufführten; das wollte ich auf keinen Fall verpassen. Obwohl ich gerne länger geblieben wäre, denn ich konnte gar nicht genug von all den Themen zu Karriere und Co. bekommen.
Ich rate jedem Medizinstudenten, die Chance zu nutzen, schon während des Studiums Kontakte zu der Welt da draußen zu knüpfen. Wer Medizin gewählt hat, hat das vielleicht unter anderem aus dem Grund getan, so wenig wie möglich mit der freien Marktwirtschaft zu tun zu haben. Mir persönlich hat der Kongress aber gezeigt, dass auch wir Mediziner einen Arbeitsmarkt haben, den es zu kennen lohnt: Denn nur so können wir unsere Karriere so planen, dass wir im Nachhinein zufrieden sind.