Der Sommer 2024 war laut EU-Klimawandeldienst der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und auch das gesamte Jahr scheint auf diesen Rekord zuzusteuern. Diverse Studien weisen darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen Hitzewellen und krankheitsspezifischen Ereignissen gibt. Und das geht über Hitzeschläge und Hautkrebs hinaus. Ärztinnen und Ärzte haben in ihrem Berufsalltag mit teilweise neuen und größeren Herausforderungen zu kämpfen. Was müssen sie besonders berücksichtigen? „Es trifft vor allem Alte, Multimorbide und chronisch Kranke“, sagte Dr. Christian Witt, Facharzt für Innere Medizin und Seniorprofessor an der Charité, auf dem Operation Karriere Event in Berlin.
Personen mit chronischen Krankheiten besonders betroffen
Der Sommer im Jahr 2006, den meisten als Sommermärchen wegen der Fußball-WM in Deutschland bekannt, war für Witt das Initialerlebnis, um sich mit den gesundheitlichen Folgen steigender Temperaturen zu befassen. „Es war ein sehr heißer Sommer“, erinnerte sich der Mediziner. Damals hatte er Patientinnen und Patienten in der Klinik, die auf eine Lungentransplantation warteten. Aufgrund der Hitze haben nicht alle von ihnen überlebt.
Wie sieht die klassische Hitzeerkrankung aus? Ein Beispiel seien Personen, die aufgrund einer hohen Transpiration – sei es schwere körperliche Arbeit oder ein Rockkonzert im Sommer – eine leichte Nephropathie entwickeln. Besonders betreffe es aber Patientinnen und Patienten mit einer reduzierten adaptiven Kapazität. Grund dafür könne sowohl das Alter als auch chronische Krankheiten wie Hypertonie, Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen sein. „Wenn sich da die Umwelt ändert, werden sie kränker“, erläutert Witt. Diese Personen könnten sich nicht mehr entsprechend an die veränderten Gegebenheiten anpassen.
Ärztinnen und Ärzte haben Vorbildfunktion
Das Problem sei aber nicht nur die Temperatur allein. Auch die Luftverschmutzung trage einen Großteil bei. „Der Mix aus Ozon, Hitze und Stickoxiden verschärft die Krankheiten“, sagte der Mediziner. Der Klimawandel sei also besonders gefährlich für chronisch Kranke. Hinzu komme noch der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Land. In den innerstädtischen Hitzeinseln könne es bis zu elf Grad wärmer sein als auf dem Land. Für den amerikanischen Bundesstaat New York gibt es eine Beispielrechnung, dass es bei einer Temperaturerhöhung von drei bis vier Grad bis zu 600 Notfallaufnahmen im Krankenhaus wegen Lungenkrankheiten jährlich mehr gebe.
Ärztinnen und Ärzte sollten laut Witt Therapien bei Hitze überdenken. „Medikamente beeinflussen den Flüssigkeitshaushalt aktiv. Daran müssen Mediziner denken, zum Beispiel bei der Behandlung von Bluthochdruck. Bei der Hitze erweitern sich die Blutgefäße sowieso und der Blutdruck sinkt.“ Darüber hinaus könnte man Klimakonsultationen machen und mehr abfragen als nur die Art und Häufigkeit des Auswurfs. Außerdem könne jeder Arzt und jede Ärztin selbst im Arbeitsalltag aktiv werden, sei es durch nachhaltigeren Stromverbrauch, nachhaltiges Heizen oder Recycling. „Verkehr und Heizung, das sind die wichtigen Dinge. Dort sollte man Vorbild sein“, sagte der Mediziner.
Witt empfiehlt weiter, dass gerade Kliniken im innerstädtischen Bereich einige klimatisierte Zimmer vorhalten sollten. So könnten sie schnell auf Patientinnen und Patienten reagieren, die während einer Hitzewelle aufgrund der gestiegenen Temperatur kommen. Ebenso sollte die Schlafsituation außerhalb der Klinik möglicherweise betrachtet werden. Denn bereits geschwächte Patientinnen und Patienten können sich laut Witt nachts bei tropischen Temperaturen über 20 Grad nicht erholen, der fehlende oder schlechte Schlaf schwächt sie zusätzlich.
Quelle: Vortrag „Was bedeuten Hitzerekorde für die Ärzteschaft“, Prof. Dr. med. Christian Witt, Facharzt für Innere Medizin, Seniorprofessor der Charité, Operation Karriere Berlin 2024