Herausforderungen beim Berufseinstieg als Arzt oder Ärztin

PD Dr. Pascal Grosse ist im Prodekanat für Studium und Lehre, Klinische Koordination und Leiter „Neurologische Schlafmedizin" Klinik für Neurologie an der Charité in Berlin. © William Veder | Eventfotografie
Der Weg vom Medizinstudium in den Beruf ist nicht immer einfach und kann einige Tücken mit sich bringen. Welche Herausforderungen auf dich bei diesem Weg warten können, erklärte PD Dr. Pascal Grosse auf dem Operation Karriere-Kongress in Berlin am 3. Dezember.

„Der Weg vom Medizinstudium in den Beruf ist eine Transition“, sagt Grosse. Dieser Übergang berge auch immer eine gewisse psychische Herausforderung. Man komme aus einer Situation, in die man sich eingefügt habe und in der man zurechtkomme in eine andere, die sich verändere und neue Herausforderungen bringe. „Da kommt es zu einer besonderen Vulnerabilität“, so der Mediziner. Es werde eine große Transformation im gesamten Gesundheitswesen kommen, allein auch aus demografischen Gründen.

Digitalisierung und globale Gesundheit

„Finden Sie Ihre Rolle im ärztlichen Beruf“, appelliert Grosse. „Lernen Sie, die Verantwortung zu übernehmen, die dieser Beruf mit sich bringt.“ Jede Generation müsse für sich selbst herausfinden, wie sie den Übergang vom Studium in den Beruf am besten sinnvoll gestalte. Jetzt seien die Herausforderungen ganz anders als noch vor 20 Jahren.

Zwei Dinge sollte man aber immer im Auge behalten: Was sind die großen Herausforderungen in der Medizin für alle? Eine davon sei definitiv die Digitalisierung, nicht nur die der Medizin, sondern auch die innerhalb des Gesundheitswesens. Diese müsse man sinnvoll, konstruktiv und reflektiert gestalten. Das zweite große Thema, das an den Universitäten nicht gelehrt werde, aber enorme Bedeutung habe, das sei die globale Gesundheit. Solange man nicht verstehe, dass wir nicht auf einer Insel leben, auf der wir medizinisch autonom handeln, könne man das Ziel – die Anhebung der Gesundheit – nicht erreichen.

Allgemeine Verunsicherung

Die hauptsächliche Herausforderung im Moment sei eine allgemeine Verunsicherung. Einige Medizinstudierende würden gar nicht erst in den Beruf gehen. Dabei sei es ein toller Beruf, in dem man auch nicht auf immer und ewig festgelegt sei. „Die Entscheidungen, die sie jetzt treffen, sind vielleicht nur die ersten in einer Serie von beruflichen Entscheidungen“, sagt Grosse. Der Neurologe benannte drei Leerstellen, die im Studium nicht ausreichend bedient werden:

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1. Medizinstudierende lernen noch nicht, in komplexen, medizinischen Netzwerken zu denken.

In der Zwischenzeit werde diese Leerstelle durch digitale Medizin in Form von Algorithmen gefüllt, die medizinische Denkprozesse standardisieren würden. Gleichzeitig hätten sie aber auch den Nachteil, dass das eigene Denken verkomme. „Das kann man nur auffüllen durch Erfahrung“, betont Grosse. Je weniger Patientinnen und Patienten man sehe, desto weniger Erfahrung habe man und desto länger brauche man, um sich sicher zu fühlen. Man befinde sich also in einem Zwiespalt zwischen einem Leben, das den eigenen persönlichen Bedürfnissen entsprechen solle, und einer beruflichen Herausforderung. „Verdichtetes Lernen ist etwas ganz Wichtiges“, erklärt Grosse. Noch wichtiger sei es, zu reflektieren, was man tue. Als Berufsanfänger und -anfängerin erfülle man zuerst eine Funktion, ohne diese kritisch zu kommentieren. „Fordern Sie das ein und machen das aus eigenem Antrieb“, appelliert der Neurologe. Nur so könne man reflektierter Arzt oder Ärztin werden, das funktioniere nicht über Algorithmen.

2. Eine Ausbildung an überwiegend chronisch kranken Patientinnen und Patienten sei nicht ausreichend. In der Ausbildung und Weiterbildung gehe es darum, zu begreifen, an welcher Stelle des Systems man sich bewege.

3. Die Integration der Versorgung zwischen einer hochspezialisierten Medizin und der allgemeinmedizinischen Kompetenz müsse besser erfolgen. „Sie sollten immer im Blick behalten bei der Spezialisierung, dass Sie ohne die allgemeinmedizinische Kompetenz nicht weit kommen“, erklärt Grosse. Denn man behandle als Facharzt oder -ärztin nicht nur spezielle Krankheiten, sondern habe ein breites Spektrum an Patientinnen und Patienten vor sich.

Quelle: Vortrag „Wichtige Schritte vom Medizinstudium in den Arztberuf“, PD Dr. Pascal Grosse, M.A. Prodekanat für Studium und Lehre, Klinische Koordination und Leiter „Neurologische Schlafmedizin“ Klinik für Neurologie, Charité – Universitätsmedizin, Operation Karriere Berlin, 3. Dezember 2022

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