Wer eine eigene Praxis gründet, auf dem lastet auf einmal viel Verantwortung. So verlockend die Vorstellung von selbstständigem Arbeiten auch ist – so laut können auch die Zweifel werden: Bin ich der Verantwortung für Praxis und Personal gewachsen? Und habe ich als selbstständiger Arzt auch noch genug Zeit für meine Familie und mein Privatleben?
Diese Fragen haben auch Dr. Susanne Fischer beschäftigt. Für sie war immer klar: Sie will sich als Hausärztin selbstständig machen – aber nicht alleine. Und so gründete sie gemeinsam mit einer Kollegin eine Gemeinschaftspraxis. In dieser Praxisform sind beide Ärzte Chefs und zahlen die Kosten und Gehälter ihrer Angestellten gemeinsam. Was danach vom Ertrag der Praxis übrig bleibt, wird geteilt – und zwar nach einem vertraglich festgelegten Schlüssel.
Wie in einer Ehe
“Bei der Praxisgründung ist es wie in einer Ehe: Den idealen Partner gibt es nicht”, stellte Fischer gleich zu Beginn ihres Vortrags auf dem Operation Karriere-Kongress in Heidelberg klar. Wichtig sei der Zusammenhalt – und auch hier gelte “in guten und in schlechten Zeiten”. Dabei sei der beste Kumpel oder die beste Freundin nicht der beste Praxispartner – denn wo sich Geschäft und Freundschaft vermischen, komme es leichter zu Konflikten.
Ein gutes Fundament für eine Gemeinschaftspraxis sind laut Fischer gemeinsame Wertvorstellungen – und über die muss man sich schon im Vorfeld der Gründung unterhalten:
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- Wieviel Geld möchten die Partner jeweils verdienen?
- Wie viele Stunden möchten sie pro Woche arbeiten?
- Wie teuer und aufwändig ist der private Lebensstil?
- Wie viel Einfluss haben eventuelle Ehepartner?
- Wer macht die Verwaltung (einer für beide oder jeder teilweise)?
- Wie groß ist die Bereitschaft, an den Wochenenden oder in der Freizeit zu arbeiten?
- Wie wichtig sind Pünktlichkeit und Ordnung?
- Welchen Führungsstil bevorzugen die Partner (autoritär-hierarchisch oder laissez-faire)?
Sich gegenseitig beieinander bewerben
Fischer riet den potentiellen Praxispartnern dazu, sich gegenseitig beieinander zu “bewerben”: Also, die Zeugnisse des jeweils anderen zu lesen, in einem Gespräch die Stärken und Schwächen des anderen kennenzulernen und eventuell auch ehemalige Kollegen zu befragen. So bekomme man schon im Vorfeld einen Eindruck von der Person, mit der man künftig eng zusammenarbeiten werde. Denn: Wenn die Interessen der beiden potentiellen Partner nicht zusammenpassen, ist Ärger vorprogrammiert.
Für das organisatorische Fundament der Praxis muss es einen Gesellschaftervertrag geben: Dabei sollte man sich unbedingt von einer Kanzlei beraten lassen, die ausreichend Erfahrung mit Verträgen für Arztpraxen habe, mahnte Fischer. Und im Vertrag müssen dringend auch unangenehme Themen aufgegriffen werden:
- Was passiert bei der Auflösung der Praxis?
- Was passiert, wenn einer der Partner stirbt?
- Was passiert, wenn sich einer der Partner scheiden lässt?
- Über wieviel Geld darf jeder einzeln verfügen?
- Wie viel Urlaub möchten die Partner haben?
- Wie oft soll es Teambesprechungen geben?
- Wie viele Stunden arbeitet jeder pro Woche?
- Worauf legen die Partner bei der Personalführung wert?
- Was passiert, wenn einer wesentlich mehr Scheine hat?
- Wie ist die Verwaltungszeit geregelt?
Alles was im Vorfeld vertraglich festgelegt werden kann, gibt Sicherheit. Denn: Unstimmigkeiten in der Zusammenarbeit führen zu Unzufriedenheit, die an beiden nagen kann. Und das könne eine Praxis auseinanderbrechen lassen, warnte Fischer.
Quelle: Operation Karriere-Kongress Heidelberg, 7.12.2019, Vortrag: “Alternative Jobsharing – Sonderform einer Gemeinschaftspraxis”, Dr. med. Susanne Fischer, Hausärztin, Deutscher Hausärzteverband Landesverband Baden-Württemberg, Stuttgart