Experte im Gespräch: Prof. Dr. Felix Herth über Lungenkrebs

Über 4.000 Behandlungsfälle mit Lungenkrebs/Bronchialkrebs gab es im Jahr 2016 an der Thoraxklinik Heidelberg. © Thoraxklinik Heidelberg/Universitätsmedizin Heidelberg
Wie ist die Arbeit an der Thoraxklinik Heidelberg und welche neuen Behandlungsansätze gibt es für Lungenkrebs? Interview mit Prof. Dr. Felix Herth, Medizinischer Geschäftsführer der Thoraxklinik Heidelberg.

In keiner anderen Klinik Deutschlands werden mehr Patienten mit Lungenkrebs behandelt als in der Thoraxklinik Heidelberg, die zu der Heidelberger Uniklinik gehört. Univ.-Prof. Dr. Felix Herth spricht hier über diese oft tödliche Erkrankung und reflektiert seine Rolle als Chefarzt.

Operation Karriere: Die Überlebensrate bei Lungenkrebs ist vergleichsweise gering, weil der Tumor oft erst spät erkannt wird. Welche neuartigen Behandlungsansätze geben Ihnen Hoffnung, dass in Zukunft weniger Patienten sterben?

Prof. Felix Herth: Es gibt heute mehr Behandlungsansätze als früher und wir haben, zum Beispiel mit der Immuntherapie, eine viel personalisiertere Medizin. Durch ein bestimmtes molekulares Verständnis dafür, wo das Problem liegt, können wir heute individuelle Therapien einsetzen, die noch vor Jahrzehnten undenkbar gewesen wären. Dennoch findet die Entwicklung immer nur im Bereich des metastasierten Stadiums statt, weil es nach wie vor ein spätes Erkennen gibt. Wenn der Tumor schon gestreut hat, kann durch eine individuelle Therapie die Überlebenszeit zwar verlängert werden, aber heilen lässt sich die Erkrankung nicht mehr. Das Problem Lungenkrebs löse ich nur, wenn ich den Zigarettenkonsum komplett verbiete oder indem ich sage, ich mache Früherkennung. Nur wenn das Karzinom früh erkannt wird, können Therapien angeboten werden, die den Patienten heilen.

In der Thoraxklinik Heidelberg werden deutschlandweit die meisten Patienten mit der Diagnose Lungen- bzw. Bronchialkrebs behandelt (ICD-10-C34). Auch weltweit genießt die Klinik einen ausgezeichneten Ruf. Haben Sie viele Patienten aus dem Ausland?

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Prof. Felix Herth: Lungenerkrankungen nehmen zu, sei es jetzt COPD, Asthma oder andere. Dadurch, dass wir eine Universitätsklinik sind und sehr viele Patienten betreuen, entwickeln wir stetig neue Methoden der Diagnostik und alternative Behandlungsverfahren. Wir bieten praktisch für jede Erkrankung auch Studien an, so dass Patienten, denen zuhause keine Hoffnung mehr gemacht werden kann, zu uns kommen. Das spricht sich herum, deshalb sind wir international eine gefragte Adresse.

Vor einigen Monaten hat der Spiegel-Bericht einer Assistenzärztin über ihren unzumutbaren Arbeitsalltag bei jungen Ärzten für Betroffenheit gesorgt. Wie stellen Sie sicher, dass es an der Thoraxklinik anders läuft?

Prof. Felix Herth:  Das ist sicher etwas, wo man zukünftig als Abteilungsleiter schauen muss:Wie schaffe ich es, den Arbeitsalltag für jüngere Assistenten, die sich flexible Arbeitsmodelle wünschen, so zu gestalten, dass gerne gearbeitet wird? Ich habe noch Medizin gelernt, da wurde fast 24 Stunden gearbeitet. Und am Morgen hieß es: „Wenn du etwas lernen willst, dann bleibst du jetzt nochmal zwölf Stunden da.“ Und dann blieb man da, was hätte man für eine Alternative gehabt? Heute ist der moderne Chefarzt oder Abteilungsleiter gefordert, der Konzepte mit seinen Assistenten entwickelt, wie der Arbeitstag so zu gestalten ist, dass sich alle wohlfühlen. Ich halte flache Hierarchien hier für entscheidend. Wenn ich mich heute so verhalten würde, wie meine damaligen Chefärzte, dann würden mir die Leute wegrennen.

Nutzen Sie Digitalsysteme, um die Arbeitsbelastung zu verringern?

Prof. Felix Herth:  Wir haben digitale Krankenakten, digitale Röntgenbilder und digitale Besprechungen, aber die Daten müssen trotzdem noch von Ärzten erhoben werden. Deswegen weiß ich noch nicht, ob die Digitalisierung die Arbeit des Arztes tatsächlich erleichtert. Es ist nun einfacher, die Daten zusammenzuführen, aber wie viel das im Alltag bringt, müssen wir noch sehen.

Wäre es hilfreich, mehr Personal einzustellen? Es gibt inzwischen ja sogar Assistenten der Assistenzärzte, die sogenannten Physician Assistants, die ärztliche Aufgaben übernehmen.

Prof. Felix Herth: Klar, das wäre eine Möglichkeit, wobei hier auch die Gefahr besteht, dass es bei mehr Personal mehr Schnittstellen gibt. Wenn ich sage, morgens ist der erste Arzt da, mittags der nächste und abends der dritte, dann habe ich ja schon drei Übergaben und das bei einem Patienten. Da fehlt dem Patienten dann auch der Ansprechpartner.

Sie sprachen bereits über flache Hierarchien und die Notwendigkeit der konstruktiven Kommunikation. Können Sie weitere Erfolgskriterien für eine gute Mitarbeiterführung nennen?

Prof. Felix Herth: Ein Erfolgskriterium ist, sich als Chefarzt in seiner Bedeutung weniger wichtig zu nehmen und auf die Bedürfnisse derjenigen einzugehen, die da sind. Wenn ich das berühmte Spiel der Chefarztvisite nehme, das war ja früher eine Prozession auf Station. Heute sind die Entscheidungswege im Krankenhaus so abgesichert, dass ich die Chefarztvisite nicht mehr brauche. Denn die Entscheidungen sind alle schon gefallen. Ich kann jetzt natürlich sagen, wenn ich komme, müssen alle mit und ich lege die Station für zwei Stunden lahm, weil ich da meine Prozession mache. Ich persönlich gehe das aber anders an. Ich frage, ob es gerade passt und dann nehme ich mir einen Assistenten mit und mache die Visite, damit ich einmal den Patienten gesehen habe, um wichtige Fragen zu klären. Ich versuche, möglichst geräuschlos durch den Stationsalltag hindurch zu gehen und ihn nicht zu blockieren.

Herr Prof. Dr. Herth, vielen Dank für das Gespräch. 

 

Prof. Dr. Felix Herth

Prof. Dr. med. Felix Herth ist Medizinischer Geschäftsführer und Chefarzt der Abteilung Innere Medizin – Pneumologie der Thoraxklinik Heidelberg, die zum dortigen Universitätsklinikum gehört. Sein Forschungsinteresse gilt insbesondere der Interventionellen Pneumologie und der Behandlung von COPD.| © Thoraxklinik Heidelberg

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