Herr Kleinhenz, Sie haben gerade Ihre Bachelor-Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences geschrieben – Thema war das Krankenhaus, das Pradip Kumar Yadav in Nepal bauen möchte. Ist das nicht ein ungewöhnliches Prüfungsthema?
Moritz Kleinhenz: Ja, das ist tatsächlich ein sehr ungewöhnliches Thema – aber das wurde so vorgegeben. Wir haben jetzt für den Bachelor drei Jahre lang Architektur studiert. Und dann ist das Prüfungsthema gleich so ein riesiges Projekt. Keiner von uns hatte vorher etwas mit Krankenhäusern zu tun – geschweige denn mit Nepal. Als das Thema bekanntgegeben wurde, gingen die Meinungen sehr auseinander. Es war eine sehr große Herausforderung. Ein Krankenhaus in Europa zu gestalten, wäre wahrscheinlich einfacher gewesen. Da kann man sich an viel mehr Vorbildern orientieren. Für mich war die große Herausforderung tatsächlich, dass das Krankenhaus in Nepal, und somit einer ganz anderen Kultur, gebaut werden sollte.
Was ist denn bei einem Krankenhaus in Nepal anders als hier in Europa?
Mit der Aufgabenstellung kamen natürlich gewisse Voraussetzungen: Eine große Herausforderung war zum Beispiel, dass wir nur eingeschossig bauen sollten und das Grundstück relativ klein war. Außerdem handelt es sich um ein Erdbeben- und Hochwassergebiet. Im Laufe der Zeit kamen immer weitere Informationen dazu. Zum Beispiel ist die Diebstahlrate in der Gegend ziemlich hoch – deshalb musste das Gebäude so entworfen werden, dass Unbefugte von außen nicht hineinkommen. Außerdem laufen in der Gegend wilde Tiere herum – das musste bei der Anlage der Gärten berücksichtigt werden. Diese Punkte kamen nach und nach dazu und machten die Aufgabe immer anspruchsvoller. Aber Nepal hat natürlich auch die völlig andere Kultur. In Europa sind Krankenhäuser quasi Maschinen – es sind ausgeklügelte Systeme über mehrere Etagen, die einfach funktionieren. So kann man in Nepal nicht bauen, zumindest nicht am Anfang. Das Krankenhaus von Pradip Yadav soll im ersten Schritt ja eher eine größere Erstaufnahme sein: Es soll zwei Stationen geben, eine Ambulanz, einen OP und einen Verwaltungstrakt. Das ist natürlich eine sehr abgespeckte Version eines Krankenhauses, wie wir es in Europa kennen. Und das so abzuspecken, dass es trotzdem noch gut funktioniert – das war die Herausforderung.
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Wie sieht Ihr Entwurf denn jetzt genau aus?
Im Grunde genommen sind es fünf Häuser – je mit einer eigenen, sich nicht wiederholenden Form, an die Funktion angepasst – die mit einem Zwischendach verbunden sind. Das Krankenhaus ist so konzipiert, dass alles im Innern stattfindet. Es gibt beispielsweise innerhalb der Stationen Gärten, in denen sich die Patienten aufhalten können. Im überdachten Zwischenbereich habe ich Treffpunkte für die Familien vorgesehen. Bei der Fassade habe ich auch die starke Sonneneinstrahlung berücksichtigt: Die Gebäude haben eine Ziegelsteinfassade, die an den Fenstern zu einer Ziegellochfassade wird. Das bedeutet, dass niemand von außen in die Zimmer schauen kann, die ja alle ebenerdig liegen. Außerdem scheint die Sonne nicht direkt in die Räume, die Patienten können aber nach draußen in die Natur schauen. Außerhalb der Häuser gibt es einen halb-öffentlichen Bereich mit einem Dach, das von drei massiven Stützen getragen wird. Diese Stützen dienen als Empfang, Raumteiler, Treffpunkt und Sitzmöglichkeit. Das Besondere ist, dass dieser Bereich seitlich von einer Glasfassade umgeben ist, die je nach Wetterlage geöffnet oder geschlossen werden kann. Das sorgt in der Regenzeit für Schutz und an heißen Tagen für einen guten Luftdurchzug – und die Natur wird gut mit eingebunden.
Wie sind Sie vorgegangen, um diesen Entwurf zu entwickeln?
Ich bin etwas anders an das Thema herangegangen als die meisten meiner Kommilitonen. Normalerweise schaut man zuerst, wie das Raumprogramm zusammengesetzt ist, was die Anforderungen oder gar Vorschriften sind, wie bestehende Krankenhäuser aufgebaut sind, wie der Bauort aussieht. Man erstellt Piktogramme, skizziert die Zusammenhänge und entwickelt daraus eine Form. Ich habe mich zu Beginn dafür entschlossen, keine Grundrisse von bestehenden Krankenhäusern zu studieren, vor allem nicht von europäischen. Mir ging es gerade in der Vorentwurfsphase darum, Eindrücke über das Land und den Bauort zu gewinnen, da ich an so einem speziellen Ort auf keinen Fall eine Maschine platzieren wollte. Ich habe die Form meines Gebäudeentwurfs stattdessen von der Umgebung abgeleitet – mir war der Bezug zur Natur wichtig. Auf dem Grundstück ist jetzt ein kleines Waldstück. Ich wollte den Wald nicht einfach für das Gebäude abholzen, sondern füge mich in meinem Entwurf der Form, die der Wald vorgibt. Dadurch ist eine organische, rundliche Form entstanden. Die Bäume trennen zudem das Krankenhaus von der Hauptstraße, die die Hauptverkehrsader von Sapahi ist. Es hat mich ziemlich viele Nerven gekostet, in diese Form, die sich über die Bearbeitungszeit natürlich immer wieder leicht verändert hat, einen vernünftigen Grundriss reinzusetzen. In diesem Fall ist die Form ja nicht von der Funktion abgeleitet.
Eine Voraussetzung war ja auch, dass der Bau modular erweiterbar sein soll, um die verschiedenen Ausbaustufen umsetzen zu können
Genau. Wir sollten ein Grundgerüst mit zwei Stationen, OP, Verwaltung, Ambulanz und einen Andachtsraum entwerfen. Daran sollten nach und nach bis zu sechs Stationen angebaut werden. Bei meinem Entwurf ist das ganz gut gelöst – ich habe den OP, die Stationen, die Verwaltung und so weiter in einzelnen, in sich geschlossenen Häusern untergebracht, die aber alle durch ein Dach miteinander verbunden sind. Unter diesem Dach befindet sich der halb-öffentliche Bereich – also der Empfang, die Wartezone und Treffpunkte für Angehörige. Wenn nun neue Stationen ergänzt werden, muss ein Teil des Waldes weichen – dann können weitere Gebäude im Kreis rund um den zentralen OP gebaut, und die entfernten Bäume ringsherum neu eingesetzt werden. Auch das Zwischendach kann dann entsprechend erweitert werden, ohne dass die grundsätzliche Form verloren geht.
Ihre Kommilitonen haben ja die gleiche Aufgabe bearbeitet und ebenfalls Krankenhäuser entworfen. Warum wurde Ihr Entwurf für eine mögliche Umsetzung ausgewählt?
(lacht) Das weiß ich wirklich nicht – das überrascht mich immer noch. Ich wollte von der Standardform weg und etwas entwerfen, das ein bisschen anders aussieht. Eigentlich wollte ich mir selber beweisen, dass ich auch mit einer vollkommen Freiform etwas Sinnvolles gestalten kann. Ich bin jetzt tatsächlich etwas überrumpelt, dass dieser Entwurf so gut ankam und tatsächlich gebaut werden soll.
Sie sind im September auch bei der Nepalreise des Projekts dabei. Was erwarten Sie von dieser Reise?
Ich erwarte, dass ich die Kleinstadt Sapahi und das eigentliche Baugebiet endlich mal sehe und die Kultur kennenlerne – ich war tatsächlich noch nie in Asien, und Nepal ist komplettes Neuland für mich. Ich hoffe, dass meine Vorstellung, die in den Entwurf eingeflossen ist, zumindest ein bisschen mit der Realität übereinstimmt. Ich werde den Entwurf vor Ort nochmal gemeinsam mit zwei Kommilitonen präsentieren. Danach muss das Konzept dann nochmal angepasst werden – es ist noch ein Entwurf von einem ehemaligen Bachelor-Studenten, der noch nie etwas von Nepal gehört hat und auch noch nie etwas mit Krankenhäusern zu tun gehabt hat (lacht). Aber ich denke, das Grundgerüst ist da. Wie es danach weitergeht, ist noch völlig offen.
Nepalese-German Hospital Project
Kontakt:
Pradip K. Yadav
Telefon: 0176-56 98 28 83
E-Mail: info@sp-hospital.org
Web: www.sp-hospital.org
Spendenkonto:
Zahlungsempfänger: Frankfurt University of Applied Sciences
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BIC: HELADEF1822
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