Arbeiten in Pharmaunternehmen

Medizin ohne Kittel? Alena zeigt, wie Medizinerinnen und Mediziner in der Pharmaindustrie ihre Expertise einsetzen können. In ihrem neuen Beitrag gibt sie spannende Einblicke in vielseitige Karrierewege abseits der Klinik – und warum die Arbeit dort mehr ist als nur ein Plan B.

Montagmorgen, 9 Uhr. Kein Kittel, kein Pieper, kein Diensthandy. Stattdessen Bluse, Laptop, Zoom-Call mit dem globalen Projektteam. Klingt erstmal nicht nach klassischer Medizin? Ist es auch nicht. Und doch sitzt da eine Medizinerin – aber eben keine Ärztin. Heute spricht sie über Studiendaten eines neuen Zytostatikums, koordiniert die nächsten Schritte mit Regulatory Affairs und bringt medizinisches Know-how dorthin, wo es genauso dringend gebraucht wird: in die Pharmaindustrie.

Der Ruf der Pharmaindustrie

„In der Industrie? Echt jetzt?“ Vielleicht hast du diesen skeptischen, ja gar leicht kritischen Unterton schon mal gehört. Die Pharmaindustrie hat – um es diplomatisch auszudrücken – nicht gerade das beste Image. Doch zwischen dem Klischee vom skrupellosen Konzern und der Realität moderner Forschung liegen Welten.

Tatsächlich braucht die Pharmaindustrie genau das, was du mitbringst: medizinisches Know-how, klinisches Denken und ein Verständnis für Patienten. Und auch wenn Pharmaindustrie aufs Erste wie eine ganz andere Welt klingt, musst du dafür nicht nochmal neu studieren. Viel wichtiger ist deine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, in interdisziplinären Teams zusammenzuarbeiten und medizinische Inhalte strukturiert zu kommunizieren.

Vielleicht fragst du dich jetzt, was man da dann eigentlich als Mediziner so macht. Gute Frage! Lass uns daher  eintauchen in die manchmal unterschätzte und überraschend vielseitige Welt der Pharma-Karrieren für Mediziner.

Mediziner in der Pharmaindustrie

Medical Advisor: Der Übersetzer

Teams-Call. Auf der einen Seite das Marketing-Team, das wissen will, wie man das neue Medikament gegen Hitzewallungen für Gynäkologen „griffig“ positioniert. Auf der anderen Seite du, mit dem klaren Ziel, dass dabei weder Evidenz noch Ethik auf der Strecke bleiben.

Als Medical Advisor agierst du als Übersetzer, ob zwischen Forschung und Vermarktung oder auch zwischen Statistik und klinischem Alltag. Du schulst Kollegen, beantwortest medizinische Fachfragen und achtest als medizinisches Korrektiv darauf, dass kreative Marketingideen und harte Datenlage im Einklang bleiben.

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Ideal für dich, wenn: du gerne erklärst, diskutierst und dein Wissen strategisch einsetzen willst.

Medical Science Liaison (MSL): Der Brückenbauer

Kittel adé, aber Gespräche mit Chefärzten bleiben. Denn als Medical Science Liaison bist du viel unterwegs und im direkten Austausch mit Ärzten, die deine Studienergebnisse wirklich interessieren.

Du präsentierst neue Daten, diskutierst Studienprotokolle und hörst genau hin, was die Klinik braucht. Keine Verkaufsgespräche, sondern wissenschaftlicher Dialog. Du bist nah dran an der Realität und bringst die Rückmeldungen direkt ins Unternehmen zurück.

Ideal für dich, wenn: du Netzwerken magst und gut erklären (und natürlich auch diskutieren) kannst.

Drug Safety Officer: Der Schutzengel

Ein Patient meldet Kopfschmerzen, Unruhe – und eine neu auftretende Erektionsstörung unter dem kürzlich auf den Markt gebrachten Antidepressivum. Ist das eine Nebenwirkung? Zufall? Oder ein bisher unbekannter Effekt? Als Drug Safety Officer bist du der Spürhund für Arzneimittelsicherheit.

Du analysierst Meldungen aus der ganzen Welt, arbeitest mit Behörden zusammen und entscheidest, ob Warnhinweise geändert werden müssen. Deine Entscheidungen beeinflussen unmittelbar die Patientensicherheit und sorgen dafür, dass Medikamente nicht nur wirken, sondern auch sicher bleiben.

Ideal für dich, wenn: du gründlich bist, Verantwortung magst und gerne tief in Daten eintauchst.

Clinical Trial Manager: Der Möglichmacher

Du sitzt im Jour Fixe mit Prüfärzten, koordinierst Abläufe, überwachst Rekrutierungszahlen und behältst Budgets und Ethik-Anträge im Blick. Als Clinical Trial Manager organisierst du klinische Studien – quasi Projektmanagement mit richtigem Impact.

Du spielst in dieser Position eine zentrale Rolle in der Medikamentenentwicklung und bist der Dreh- und Angelpunkt zwischen Forschung, Klinik und Regulatorik. Dabei verfolgst du eine wichtige Mission: dafür sorgen, dass medizinische Innovationen zuverlässig, ethisch und regelkonform in die klinische Praxis überführt werden können.

Ideal für dich, wenn: du gerne planst, Verantwortung übernimmst und Forschung spannend findest.

Regulatory Affairs Manager: Der Möglichmacher mit Stempel

Bevor ein Medikament auf den Markt darf, muss es viele Prüfungen bestehen, sowohl wissenschaftlich als auch rechtlich und formal. Als Mediziner in Regulatory Affairs bist du die Stimme der Wissenschaft in einem Meer von Vorschriften.

Als solche formulierst du Zulassungsunterlagen, kommunizierst mit Behörden wie EMA oder BfArM und sorgst dafür, dass alles regelkonform läuft. Ein bisschen Paragraphenliebe ist dafür definitiv notwendig, denn ohne dich kommt kein Medikament auf den Markt.

Ideal für dich, wenn: du strukturiert denkst und Regeln, Recht und Präzision liebst.

Kein Plan B, sondern ein neuer Plan A

In der Pharma bist du zwar kein Arzt, sondern einfach Mediziner. Doch dafür bist du auch Mitgestalter. Hier kannst du größer denken. Weniger Einzelperson, mehr System. Weniger Symptome behandeln, mehr Lösungen entwickeln.

Wenn du also Lust hast, dein Wissen in einem neuen Kontext einzusetzen und medizinische Innovation Realität werden zu lassen, dann könnte die Industrie genau das Richtige für dich sein. Und wer weiß, vielleicht sitzt du dann bald im Zoom-Call mit dem globalen Projektteam und arbeitest an der Medizin von morgen.

 

Anmerkung: Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Artikelreihe auf Gendern verzichtet. Selbstverständlich sprechen wir beide Geschlechter – und alles dazwischen und außerhalb – an.

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