Angst vor Karriere-Aus: Schwangere Ärztinnen unter Druck

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Du bist Ärztin und schwanger – und hast Sorge, das deinem Arbeitgeber zu melden? Dann geht es dir wie einem Großteil der schwangeren Ärztinnen und Medizinstudentinnen. Eine aktuelle Umfrage des Marburger Bundes und weiterer Organisationen ergab, dass sich schwangere Ärztinnen unter Druck gesetzt fühlen und keine Unterstützung vom Arbeitgeber erhalten.

Eine Schwangerschaft lässt sich manchmal schwer mit dem Beruf vereinbaren. Das trifft besonders auf Ärztinnen zu, wenn sie dadurch mit einem Tätigkeitsverbot oder negativen Reaktionen ihrer Vorgesetzten rechnen müssen. Bereits im Jahr 2016 hatten 44 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen Bedenken, die Schwangerschaft dem Arbeitgeber zu melden. 2022 waren es bereits 56 Prozent.

Die Online-Befragung, an der rund 4.800 Ärztinnen und Medizinstudentinnen teilnahmen, fand im November und Dezember 2022 statt. Zu dem Netzwerk, dass die Umfrage durchführte, gehörten der Marburger Bund, der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB), die Initiative Operieren in der Schwangerschaft (OPidS), die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der Verband der Chirurginnen (Die Chirurginnen e.V.) sowie der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (vlk).

Große Bedenken

Doch warum waren die Bedenken so groß? Die Befragten gaben unterschiedliche Gründe an. Dazu gehörte die Sorge vor:

  • Einschränkungen in der Weiterbildung
  • OP-Verbot
  • Tätigkeitsverbot
  • negativen Reaktionen der Vorgesetzten
  • Unverständnis der Kolleginnen und Kollegen
  • Personalnot
  • einer Fehlgeburt
  • beruflichen Konsequenzen aufgrund von Probezeit/kürzlicher Arbeitswechsel

Die Motivation der Ärztinnen war hoch, auch während der Schwangerschaft noch weiter zu arbeiten. Doch gerade während der Corona-Pandemie wurde dieser Wunsch nicht gewährt. In den Jahren 2020 bis 2022 erhielten etwa 60 Prozent der Befragten ein Beschäftigungsverbot vom Arbeitgeber, mehr als ein Drittel musste Tätigkeitseinschränkungen hinnehmen. So durften in den Pandemiejahren knapp 80 Prozent der Teilnehmerinnen keine Operationen mehr durchführen. Vor der Pandemie betraf das nur rund 60 Prozent.

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„Corona wird uns weiter begleiten. Der aktuelle Wissensstand in der Pandemie muss stets in die individuelle Gefährdungsbeurteilung einfließen. Aktuell finden Sie kaum einen sichereren Arbeitsplatz als den einer Chirurgin im OP“, hält Dr. Maya Niethard, Projektleiterin der Initiative Operieren in der Schwangerschaft (OPidS), dagegen.

Keine Gefährdungsbeurteilung

Ein häufiges Problem sei, dass Arbeitgeber keine adäquate Gefährdungsbeurteilungen der anfallen Tätigkeiten durchführen würden, obwohl das Mutterschutzgesetz genau das fordert. 40 Prozent der Teilnehmerinnen gaben an, dass bei ihnen keine Gefährdungsbeurteilung stattgefunden habe und sie trotzdem weiterarbeiten mussten – auch wenn das eine Gefährdung bedeutete. Andernfalls mussten sie sich selbst um ein Beschäftigungsverbot bemühen. Durch eine allgemeine Gefährdungsbeurteilung kam es vor der Pandemie bei nur 11 Prozent der Befragten zu einem betrieblichen Tätigkeitsverbot. Seit 2020 betraf dies schon 48 Prozent.

„Oftmals machen sich die Arbeitgeber nicht die Mühe, genauer zu ermitteln, wie und in welchem Umfang eine Weiterarbeit während der Schwangerschaft möglich sein kann. Stattdessen werden Kolleginnen, die arbeiten wollen, Steine in den Weg gelegt. Das ist inakzeptabel. So wird unnötig ärztliche Arbeitskraft verschwendet – zum Nachteil für die Kolleginnen und die Gesundheitsversorgung insgesamt“, kritisierte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes.

Behinderung in Karriere und Weiterbildung

Dabei gebe es auch verschiedene Modelle des Beschäftigungsverbots – beispielsweise nur ein partielles mit reduzierter Stundenzahl. Das würde auf der einen Seite den schwangeren Ärztinnen zugutekommen, die arbeiten wollen, und zeitgleich dringend benötigte ärztliche Arbeitszeit sicherstellen.

Denn ein Beschäftigungsverbot wirkt sich auch negativ auf die Weiterbildungszeit und die Karriere aus. Nur knapp ein Drittel der Teilnehmerinnen konnte während der Pandemie anrechnungsfähige Weiterbildungsinhalte erwerben. Vor der Pandemie waren es noch 57 Prozent. Seit 2020 geben zwei Drittel der Befragten an, dass sie durch die Schwangerschaft in ihrer Karriere behindert worden seien. Sei es durch:

  • eine verlängerte Weiterbildungsdauer
  • weniger Karriereaussichten, da diese Frauen weniger gefördert und Oberarztstellen anderweitig vergeben werden
  • Teilzeit nach der Elternzeit
  • das Verlieren praktischer Tätigkeiten
  • das Empfinden, nicht mehr als gleichwertige Kraft wahrgenommen zu werden
  • weniger Förderung
  • weniger flexibel einsetzbar zu sein.

„Oftmals machen sich die Arbeitgeber nicht die Mühe, genauer zu ermitteln, wie und in welchem Umfang eine Weiterarbeit während der Schwangerschaft möglich sein kann. Stattdessen werden Kolleginnen, die arbeiten wollen, Steine in den Weg gelegt. Das ist inakzeptabel. So wird unnötig ärztliche Arbeitskraft verschwendet – zum Nachteil für die Kolleginnen und die Gesundheitsversorgung insgesamt“, kritisierte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes.

Quelle: Marburger Bund

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