Für Medizinstudentin Isabel Molwitz, seit Jahren aktiv in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd), ist es kurios: „600 Medizinstudierende sind jährlich auf dem bvmd-Bundeskongress vertreten, dreimal im Jahr fahren 200 Medizinstudierende quer durch Deutschland zu den Mitgliederversammlungen der bvmd, zudem sind in 22 Projekten, acht Arbeitsgemeinschaften und international Hunderte weitere Medizinstudierende engagiert. Doch bundesweit ist es nur eine sehr überschaubare Anzahl an jungen Ärztinnen und Ärzten, die sich nach ihrer Approbation bei den Landesärztekammern melden und aktiv mitmischen wollen“, sagt sie dem Deutschen Ärzteblatt Medizin studieren.
Im Arbeitsalltag fehlt die Zeit für ein Ehrenamt
Dabei plane die Mehrheit der ehrenamtlich aktiven Kommilitoninnen und Kommilitonen, nach Ende des Studiums weiterhin aktiv bleiben zu wollen und die Welt der Medizin mit ihren Ideen zu bereichern. Wo sind die engagierten Studierenden nach dem Start in den Beruf? „Oftmals ist aufgrund von Klinikalltag und Familiengründung schlicht keine Zeit mehr für ehrenamtliches Engagement“, meint Molwitz. Ein weiteres Hindernis sei: „Es ist einfach nicht bekannt, was die bvmd ersetzen kann. Wo konkret kann ich hingehen? Wofür stehen eigentlich die Berufsverbände und entsprechen deren Positionen auch den meinen? Und: Was genau machen überhaupt die Ärztekammern?“
Um diese Wissenslücken zu schließen, hat die bvmd im Sommer 2017 das Projekt „NewKammer“ gegründet, das Molwitz leitet. Eine erste Veranstaltung fand im April in Hamburg mit Unterstützung der dortigen Landesärztekammer statt. „Studierende konnten niederschwellig mehr über die Arbeit der Ärztekammern lernen und direkte Fragen zur Weiterbildung stellen“, berichtet Molwitz. Aus Sicht der Studierenden sei dies ein spannender und gelungener Termin gewesen, sodass eine Folgeveranstaltung in Berlin mit der Ärztekammer bereits geplant sei.
Landesärztekammern wollen mehr Kontakt zu Nachwuchsmedizinern
Viele Landesärztekammern intensivieren mittlerweile den Kontakt zu Medizinstudierenden, Absolventen und Berufseinsteigern. Man wolle den Austausch der Ärztekammern mit der jungen Ärztegeneration fördern, Perspektiven aufzeigen und gemeinsam berufspolitische Themen und Thesen diskutieren, erklärte Dr. med. Ellen Lundershausen, Präsidentin der Ärztekammer Thüringen, beim diesjährigen Deutschen Ärztetag im Mai in Erfurt. Zu Beginn dieses Treffens von Ärztinnen und Ärzten aller Landesärztekammern moderierte Lundershausen einen interaktiven Dialog zwischen jüngeren und älteren Ärzten, den die Bundesärztekammer und die Landesärztekammer Thüringen gemeinsam organisiert hatten. „Wir brauchen den Kontakt in die jüngere Ärzteschaft. Denn wir haben in Deutschland über die Ärztekammern die einzigartige Möglichkeit, unseren Beruf mitzugestalten“, betonte Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, in Erfurt. Um den Kontakt zu verstetigen, solle es jetzt jährlich einen Austausch mit jungen Ärztinnen und Ärzten anlässlich der Deutschen Ärztetage geben. Wünschenswert wären ähnliche Treffen auf regionaler Ebene.
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Während des öffentlichen Streitgesprächs in Erfurt krachte es allerdings ordentlich: Silberrückengorilla versus streitbare Newcomerin – da sind Konflikte vorprogrammiert. Mit Katharina Thiede, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin in Berlin und Mitglied der Fraktion Gesundheit der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin, sowie Prof. Dr. med. Jakob R. Izbicki, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, stießen zwei Generationen mit ihren unterschiedlichen Ansichten von der Arbeits- und Lebenswelt aufeinander.
Sind Arztberuf und Familie vereinbar?
Aussagen von Izbicki wie „Ein guter Chirurg zu sein ist nicht mit Familie vereinbar“ versetzten den mit knapp 200 jungen Ärztinnen und Ärzten gefüllten Saal in Aufruhr und ließen die Rednerschlange am Mikrofon schnell anwachsen. Es entbrannte eine emotionale Diskussion, an der sich auch viele der zahlreich anwesenden Präsidenten der Landesärztekammern beteiligten.
Im Laufe der Diskussion zeigte sich jedoch: So sehr unterscheiden sich die Probleme der „Jungen“ in der täglichen Arbeitswelt gar nicht von denen der älteren Ärztegenerationen. Junge Ärztinnen und Ärzte starten in den Beruf häufig mit idealistischen Vorstellungen, die dann der Praxis nicht standhalten und zu beruflicher Unzufriedenheit führen. „Nach dem langen Studium ist man einfach zu wenig Arzt“, brachte es Thiede auf den Punkt. Ökonomische Restriktionen und bürokratische Vorgaben ließen diesen zu wenig Zeit für die Versorgung der Patienten, die aus ökonomischen Erwägungen heraus entlassen oder in andere Einrichtungen des Gesundheitswesens „verschoben“ würden. „Man ist Teil der Drehtür. Das macht unzufrieden“, beklagte sie.
Mit Sorge verwies Thiede zudem auf die zunehmende Arbeitsverdichtung im Gesundheitssystem und die nach ihrer Ansicht bedenklichen Auswirkungen auf die Patientenversorgung und den Arztberuf. „Ärzte dürfen nicht zum Renditefaktor verkommen“, warnte die Ärztin. „Wir sind nicht die Generation ,Spaß‘. Wir engagieren uns – für die Patienten und unser Team, aber es muss sich einiges im Gesundheitswesen ändern.“ Neben einer zunehmenden Ökonomisierung der Medizin seien zudem eine unstrukturierte Weiterbildung, starre Hierarchien sowie eine mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie Kritikpunkte der jungen Ärztegeneration, denen man sich widmen müsse.
Letzteres waren Punkte, die bei Izbicki, einem Vertreter der älteren Ärztegeneration, einem „Silberrückengorilla“ oder „Dinosaurier“, wie er sich selbst wahlweise nannte, auf Widerspruch stießen. „Ich bin ein klarer Befürworter von hierarchischen Strukturen“, betonte er. Gerade in der Chirurgie seien sie unersetzlich. Wenig hält der Chirurg auch von einer reduzierten Wochenarbeitszeit: „Ich hasse Fließbandmedizin“, sagte er. Wenn er einen Patienten operiere, wolle er diesen auch über die gesamte Zeit betreuen und nicht an einen Kollegen übergeben. „Stellen sich Komplikationen ein, muss man auch nachts wieder selbst in die Klinik – ich tue das und erwarte das auch von meinen Mitarbeitern.“
Dass eine solche Arbeitsweise nicht familienfreundlich ist, negierte Izbicki nicht. Im Gegenteil: „Man kann nicht ein exzellenter Arzt und gleichzeitig ein guter Vater oder eine gute Mutter sein“, provozierte er. Die Lösung für diese Problematik sei möglicherweise die Tätigkeit in Subspezialisierungen. Diese würde aber nach seinen Erfahrungen von vielen Nachwuchsärzten abgelehnt. „Sie müssen selbst entscheiden, was sie für ihre Zufriedenheit brauchen.“
Heinz nahm nicht nur auf den Klinikalltag, sondern auch auf die Bedingungen in der ambulanten Versorgung Bezug. Hier verursache der ökonomische Druck Ängste vor einer eigenen Niederlassung. Dieser führe zu der zunehmenden Berufsunzufriedenheit und auch zu einer Lustlosigkeit, sich berufspolitisch in Berufsverbänden oder den Landesärztekammern zu engagieren. Wie Nachwuchsärzte zu mehr Berufszufriedenheit gelangen könnten – sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich – ist für sie klar: „Der Schlüssel liegt in der Identifikation mit unserer guten Arbeit.“
Mehr Infos unter www.bvmd.de