Knie-Endoprothetik mit Roboter-Assistenzsystemen

PD Dr. Matthias Klotz, MBA beim Operation Karriere-Kongress in Köln, 28.10.2023 © Hanke
Operieren mit Roboter-Unterstützung: In vielen Krankenhäusern steht das inzwischen auf der Tagesordnung, Tendenz steigend. Im Marienkrankenhaus Soest kommt ein OP-Roboter bei der Knie-Endoprothetik zum Einsatz. Wie das genau funktioniert, erklärte Chefarzt PD Dr. Matthias Klotz, MBA beim Operation Karriere Kongress in Köln am 28.10.2023.

Schon während des Vietnamkriegs ersann das US-Militär einen aus der Ferne gesteuerten Roboter-Chirurgen, erklärte Klotz zu Beginn seines Vortrags. Er sollte überall dort Verletzten helfen, wo es für Kollegen aus Fleisch und Blut zu gefährlich wäre – beispielsweise auf dem Schlachtfeld oder sogar im Weltraum. Besonders in der Allgemeinchirurgie wurden die Systeme dann weiterentwickelt: Ende der 1990er Jahre wurden Da Vinci-Roboter in europäischen Krankenhäusern eingeführt. Die erste roboterassistierte Operation war im Jahr 1997 eine Cholezystektomie (Gallenblasen-Entferung).

Inzwischen kommen Roboter-Assistenzsysteme auch in der Orthopädie und Unfallchirurgie immer häufiger zum Einsatz. Am Marienkrankenhaus Soest werden beispielsweise künstliche Kniegelenke mit dem Roboter “Mako” operiert. Der Roboter arbeitet mit größtmöglicher Präzision von 0,1 mm und 0,5 Grad und schützt dadurch das umliegende Gewebe. Dabei arbeitet der Mako aber nicht autonom die Operation wird stets von einem Chirurgen oder einer Chirurgin geleitet.

So läuft eine roboterassistierte OP ab

Im ersten Schritt wird ein CT des Gelenks erstellt und daraus ein exaktes 3D-Computermodell entwickelt. So können die Ärztinnen und Ärzte die Prothesen ganz individuell an die jeweiligen Patientinnen und Patienten anpassen und die einzelnen Operationsschritte planen. Vor der eigentlichen Operation kann das gesamte OP-Team den Eingriff am Computer Schritt für Schritt simulieren.

Zu Beginn der OP wird das System direkt am Knochen kalibriert. Bei der OP selbst wird der Roboterarm von dem Chirurgen oder der Chirurgin geführt. Allerdings lässt das Gerät nur Bewegungen in einem streng festgelegten Rahmen zu das hilft, das Weichgewebe zu schützen und so wenig Knochen wie möglich zu entfernen. Um den Roboter zu überwachen, ist während der OP die ganze Zeit ein speziell geschulter Techniker oder eine Technikerin vor Ort.

Vorteile und Herausforderungen

Die Vorteile:

  • höhere Erfolgsraten
  • weniger Komplikationen
  • weniger Blutungen
  • kürzere Operationsdauer
  • präzisere Ausrichtung
  • kürzere Krankenhausaufenthalte
  • keine Mehrkosten für Patientinnen und Patienten
  • höhere Zufriedenheit bei Patientinnen und Patienten als bei herkömmlichen Methoden
  • Ab 94 Fällen pro Jahr kosteneffektiv
  • reduzierte Logistikkosten für Transport, Sterilisation und Lagerung von acht bis zwölf Sterilguttrays

Die Herausforderungen:

  • hohe Investitionskosten: Mako-System kostet 700.000-1.000.000 Euro, Da Vinci sogar teilweise mehr als 2.000.000 Euro.
  • hohe Unterhaltungskosten durch spezialisiertes Personal, Verbrauchsmaterialien und Wartung (bis zu 200.000 Euro im Jahr)
  • keine Refinanzierung durch das deutsche Gesundheitssystem

Die Knie-OP durch den Roboter werde von den Patientinnen und Patienten gut angenommen, konnte Klotz berichten. Da stellt sich die Frage: Werden Roboter in Zukunft Ärztinnen und Ärzte komplett ersetzen können?

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Wie technische Fortschritte die Medizin verändern

Um diese Frage zu klären, holte der Referent ein bisschen aus: Während sich bis in die 1950er Jahre das medizinische Wissen ungefähr alle 50 Jahre verdoppelte, beträgt diese Halbwertszeit heute nur noch 73 Tage, bei sinkender Tendenz. Bei dieser rapiden Produktion neuer Erkenntnisse können Ärztinnen und Ärzte kaum noch mit den aktuellen Informationen Schritt halten. Auch das Thema “Big Data” spielt hier eine Rolle: Die riesigen und ständig wachsenden Datenmengen, beispielsweise durch Röntgenbilder, Laborbefunde etc., können vom menschlichen Gehirn kaum noch verarbeitet werden. Hier seien immer stärkere Prozessoren nötig.

Die aktuellen technischen Entwicklungen bieten dabei Unterstützung: Während Künstliche Intelligenz (KI) Ärztinnen und Ärzten bei Diagnosestellung und Behandlung hilft, kommen Roboter mit großer Präzision bei chirurgischen Eingriffen zum Einsatz.

Bei früheren OP-Roboter-Systemen kam es zu Kritik von Seiten der Patientinnen und Patienten sowie der Medien und einer Klagewelle. Aus diesem Grund seien ältere Ärztinnen und Ärzte auch heute noch kritisch gegenüber dieser Technologie, erklärte Klotz. Die älteren Modelle hätten keine Rücksicht auf das umliegende Gewebe genommen und so häufig Schaden angerichtet. Diese “Kinderkrankheiten” seien heute aber längst Vergangenheit. Aktuelle Systeme arbeiten sehr präzise. Sie basieren auf einem Roboterarm und einer gründlichen präoperativen Planung. Außerdem erfordern sie eine aktive Beteiligung eines Chirurgen oder einer Chirurgin.

Der Mako-Roboter wurde in den vergangenen 16 Jahren bereits bei 800.000 Operationen an 1.800 Standorten eingesetzt. Dabei belegt eine große Studie aus dem australischen Prothesenregister, dass die Roboter-assistierten Operationen eine deutlich geringere Komplikationsrate aufweisen. Diese Studienergebnisse seien der Grund dafür, dass viele Kliniken derzeit in neue OP-Roboter investieren darunter auch das Marienkrankenhaus Soest, bei dem der Mako im September 2022 in Betrieb genommen wurde. Im ersten Jahr wurden rund 250 Operationen mit dem Roboter durchgeführt, nur vier Patienten haben sich gegen den Roboter und für eine konventionelle Operation entschieden. Ab kommendem Jahr sollen in Soest neben Knie-OPs auch künstliche Hüftgelenke mit Hilfe des Geräts eingesetzt werden.

Werden Roboter Ärztinnen und Ärzte in Zukunft ersetzen?

Die Antwort auf diese Frage fällt für Klotz eindeutig aus: Nein, auf keinen Fall! Aber: Für Chirurginnen und Chirurgen sei seiner Meinung nach ein Umdenken nötig. Man müsse den Roboter als ein technisches Hilfsmittel betrachten, dass die Arbeitsabläufe erleichtern könne. Zwar erhöhe der Roboter die Präzision, aber er könne auch jederzeit ausfallen. Schon allein deshalb sei es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte auch in Zukunft noch die konventionellen Operationstechniken beherrschen.

Quelle: Zukunft Knie-Endoprothetik: Roboter-Assistenzsysteme, Priv.-Doz. Dr. med. Matthias Klotz, MBA, Chefarzt Orthopädie & Unfallchirurgie Marienkrankenhaus Soest, Operation Karriere-Kongress in Köln am 28.10.2023

 

 

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