Das Studium sollte eigentlich ein neuer, spannender Lebensabschnitt sein: neue Stadt, neue Freundinnen und Freunde, eine eigene Wohnung oder die erste WG und natürlich Studierendenpartys. Die Realität sieht vielerorts jedoch ganz anders aus. Denn allein durch die Corona-Pandemie konnte das Leben nicht wie gewohnt stattfinden, sodass Vorlesungen digital stattfinden mussten oder das Lernen allein zu Hause passierte. Hinzu kommen dann auch noch Faktoren wie der Klimawandel oder weltweite Krisen und Konflikte – das führt zu Geldsorgen und Zukunftsängsten. All das belastet die Gesundheit der Studierenden enorm.
Subjektiver Gesundheitszustand hat sich verschlechtert
Zu diesem Ergebnis kommt das Meinungsforschungsinstitut Forsa, das im Auftrag der Techniker-Krankenkasse bundesweit 1.000 Studierende ab 18 Jahre zu ihrer Gesundheit und ihren aktuellen Studienbedingungen befragt hat. 45 Prozent der Befragten waren bis 23 Jahre alt, 28 Prozent 24 bis 27 Jahre alt und 26 Prozent waren 28 Jahre alt oder älter. Fast 40 Prozent der befragten Studierenden wohnten bei den Eltern oder Verwandten, jeweils etwa 20 Prozent allein oder mit dem Partner oder der Partnerin zusammen und 14 Prozent in einer WG. Den größten Teil der Befragten machten Studierende der Geistes- und Naturwissenschaften aus (23 Prozent), Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften studierten fast elf Prozent.
Bei der Frage, wie die Studierenden ihren eigenen Gesundheitszustand beschreiben würden, fällt eine starke Verschlechterung im Vergleich zur Befragung aus dem Jahr 2015 auf. Haben 2015 noch 38 Prozent angegeben, dass ihr Gesundheitszustand „sehr gut“ sei, waren es 2023 nur noch 16 Prozent. Als „zufriedenstellend“ beschrieben 2015 noch 13 Prozent ihre Gesundheit, zwei Prozent als „weniger gut“. 2023 waren es schon 28 Prozent und neun Prozent.
Die häufigsten Symptome
Aber wie äußert sich dieser schlechtere Gesundheitszustand? Welche Symptome treten besonders auf? Und sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen? Das Hauptproblem ist Erschöpfung durch Stress. 68 Prozent der Befragten gaben an, daran in den letzten zwölf Monaten gelitten zu haben, wobei Frauen (75 Prozent) häufiger betroffen waren als Männer (60 Prozent). Weitere Krankheiten oder Beschwerden waren Ängste und Sorgen (63 Prozent), Corona (60 Prozent), Kopfschmerzen (59 Prozent), Rückenschmerzen (55 Prozent), Konzentrationsstörungen (53 Prozent) oder Schlafprobleme (43 Prozent). Dabei war der Anteil betroffener Frauen immer höher als der betroffener Männer.
„Permanenter Stress und häufige Belastungen können auf Dauer zu Burnout führen”, erklärte Professor Bertolt Meyer von der TU Chemnitz, der die Befragung für die TK ausgewertet hat. Besonders der Grad emotionaler Erschöpfung sei bei den Studierenden hoch. 37 Prozent von ihnen fühlen sich stark emotional erschöpft (Frauen 44 Prozent, Männer 29 Prozent). Aber die emotionale Erschöpfung ist nicht in jedem Fachbereich gleich. Am stärksten sind Studierende der Sprach- und Kulturwissenschaften betroffen. Hier gaben 56 Prozent der Befragten eine hohe emotionale Erschöpfung an. Bei Studierenden der Humanmedizin waren es 40 Prozent. Am wenigsten betrifft es Studierende der Kunst und Kunstwissenschaften (26 Prozent).
Dabei sind die Aspekte, die Studierende besonders unter Druck setzen und Stress erzeugen:
- Prüfungen (18 Prozent)
- Mehrbelastung durch Studium und Nebenjob (12 Prozent)
- Angst vor schlechten Noten (9 Prozent)
- zu schwieriger/umfangreicher Lernstoff
- finanzielle Sorgen
Außerdem gab etwa ein Drittel der Studierenden an, dass sie sich Anfang 2023 noch stark oder sehr stark durch die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen belastet fühlten.
Deutlich mehr Antidepressiva
Dass die psychische Belastung der Studierenden extrem hoch ist, zeigen ebenso Auswertungen der Arzneimittelverordnungen der Studierenden zwischen 20 und 34 Jahre, die bei der TK versichert sind. Arzneimittel, die das Nervensystem behandeln, sind bei Studierenden die Medikamentengruppe, die den größten Teil der verordneten Tagesdosen ausmachen. Von 2006 bis 2022 ist dieses Versorgungsvolumen um 168 Prozent gestiegen. Allein im Jahr 2022 machte diese Gruppe bei Studierenden mehr als ein Viertel (25,6 Prozent) aller verordneten Medikamente aus. Innerhalb dieser Gruppe entfällt der größte Anteil auf Antidepressiva (70,7 Prozent). Laut TK haben 2022 Studierende 30 Prozent mehr Antidepressiva verordnet bekommen als noch 2019. „Bei männlichen Studierenden nahm die Verordnungsrate um 18 Prozent zu, bei weiblichen sogar um 38 Prozent”, sagte Dr. Thomas Grobe, aQua-Institut für angewandte Wissenschaften. Dieser Anstieg sei alarmierend, betonte Dr. Jens Baas. „Medikamente sind in vielen Fällen ein Segen. Wir müssen jedoch im Blick behalten, dass nicht auf jede Art von Stress oder Belastung Tabletten die richtige Antwort sind“, erklärte der TK-Vorstandsvorsitzender.
Zusammenfassend wir deutlich, dass mehr für die Gesundheit der Studierenden – auch an den Hochschulen – getan werden müsse, besonders für die psychische Gesundheit. Ansonsten drohe vielen noch vor dem Berufsstart ein Burn-Out. „Wichtig ist, sich die Probleme genauer anzuschauen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln – beispielsweise mit einem gezielten studentischen Gesundheitsmanagement“, forderte Baas. Nur ein Kurs zur Stressreduktion reiche nicht.
Quelle: TK-Gesundheitsreport 2023
