Du willst unbedingt Medizin studieren, aber deine Abiturnote und damit dein NC sehen nicht so rosig aus? Auch mit einem Einser-Abitur hat man keine Garantie auf einen Studienplatz im Fach Medizin. Auf etwa 10.000 verfügbare Studienplätze kommt regelmäßig mindestens die vierfache Anzahl an Bewerbungen. Wenn du den Traum von einem Medizinstudium aber nicht begraben willst, gibt es eine andere Möglichkeit: Ein Medizinstudium bei der Bundeswehr. Aber welche Voraussetzungen musst du hierfür erfüllen und wie läuft das Ganze ab?
Voraussetzungen
Von den bundesweit etwa 10.000 Studienplätzen im Fach Medizin erhält die Bundeswehr 250, die sie selbst vergeben kann. Die Studierenden verteilen sie auf die staatlichen deutschen Universitäten. In erster Linie bist du Soldat oder Soldatin, wenn du bei der Bundeswehr studierst. Für den Sanitätsdienst musst du eine Offizierlaufbahn absolvieren. Dementsprechend gelten einige Voraussetzungen, die es im zivilen Bereich nicht gibt. So fordert die Bundeswehr von Bewerberinnen und Bewerbern:
- Mindestens 17 Jahre alt
- Allgemeine Hochschulreife
- Deutsche Staatsbürgerschaft
- Bereitschaft, sich bundesweit versetzen zu lassen
- Bereitschaft, an Auslandseinsätzen teilzunehmen
- Verpflichtung als Soldat oder Soldatin mit einer Dienstzeit in der Sanitätslaufbahn von 17 Jahren
Das Positive am Auswahlverfahren der Bundeswehr: Der Abiturdurchschnitt ist nicht so wichtig und Wartezeiten gibt es ebenso nicht. Da du noch weitere Testverfahren durchlaufen musst, hast du auch mit einem Abiturdurchschnitt von 2,5 noch gute Chancen auf einen Studienplatz.
Der Test im Assessment-Center
Bevor du als Offizier oder Offizierin bei der Bundeswehr deinen Dienst antreten kannst, wartet ein dreitägiges Assessment-Center an der Offizierbewerberprüfzentrale (OPZ) in Köln auf dich. Hier musst du deine charakterliche, psychische und physische Eignung unter Beweis stellen. Neben einem Sporttest gehören eine medizinische Untersuchung sowie Tests am PC, persönliche Gespräche und Gruppensituationsverfahren dazu.
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Die medizinische Untersuchung beinhaltet:
- Sehtest
- Messung von Körpergröße und Gewicht
- Blendungstest
- Hörtest
- Urinprobe
- Abschließende Untersuchung durch einen Arzt (Messung von Blutdruck, Bauchumfang, Körperhaltungsanalyse, Beweglichkeitstest)
Der Sporttest beinhaltet (Basis-Fitness-Test, kurz BFT):
- Pendellauf (11×10 Meter-Sprints)
- Klimmhang
- 3.000 Meter Fahrradergometer
Der Computergstützte Test (CAT-Test) beinhaltet:
- Multiple-Choice-Fragen in den Bereichen:
- Rechtschreibung
- Logisches Denken
- Mathematik
- Konzentration
- Technisches Wissen
- Persönlichkeitstest: Fragen zu den Themen
- Stress- und Problemsituationen
- Alkohol und Drogen
- Stärken und Schwächen
Für den Persönlichkeitstest solltest du dir genug Zeit nehmen und die Fragen genau lesen. Mit diesem Test wollen die Prüfer – wie der Name vermuten lässt – ein genaues Bild von dir als Person zur Einschätzung zeichnen. Sollte es zu Unstimmigkeiten in den Antworten kommen, gehen die Prüfer später im Interview genauer darauf ein.
Das Gruppensituationsverfahren beinhaltet:
- Gruppendiskussion (Gruppenmitglieder bekommen eine bestimmte Rolle bzw. Meinung zugewiesen müssen innerhalb von zwölf Minuten eine Lösung zu einem vorgegebenen Thema finden)
- Planspiel zum Thema Ressourcenknappheit (Innerhalb von acht Minuten müssen die Teilnehmenden eine für alle vertretbare Lösung für eingeschränkte Ressourcen finden, die nicht jedem Gruppenmitglied zur Verfügung stehen, z.B. durch Vertreten des eigenen Anspruchs oder Verzicht auf die Ressource.)
- Kurzvortrag (zu einem zugewiesenen Thema nach 25 Minuten Vorbereitungszeit einen zehnminütigen Vortrag möglichst frei vor den Mitbewerbenden halten)
Das Interview oder psychologische Gespräch beinhaltet:
- Gespräch auf Basis aller bisher erzielten Testergebnisse
- Dient der Einschätzung deines zukünftigen Verhaltens bei der Bundeswehr
- Fragen zu deiner Motivation
- Fragen über die Bundeswehr
- Fragen zu deiner Person
- Fragen zu deinem privaten Umfeld
Nach erfolgreichem Abschluss dieser Tests und Gespräche erfolgt das Gespräch beim Einplaner.
Das Gespräch zur Einplanung/Studienberatung beinhaltet:
- Der Einplaner zeigt vorhandene mögliche Stellen oder Alternativen auf und berücksichtigt dabei deine Wunschverwendung
- Es kann sein, dass der Erstwunsch aufgrund fehlender Stellen oder unzureichender Testergebnisse nicht klappt (Bewerberinnen und Bewerber können drei Verwendungswünsche angeben)
- Wenn du dich für eine Stelle entschieden und verpflichtet hast, bekommst du einen Einplanungsvermerk mit Informationen zur Grundausbildungseinheit, Stammeinheit, vorgesehener Anschlussverwendung, Verpflichtungszeit und Belehrungen
Grundausbildung und Regelstudienzeit
Hast du das Assessment-Center erfolgreich hinter dich gebracht und einen Medizinstudienplatz ergattern können, kannst du aber nicht sofort mit dem Studium anfangen. Da du in erster Linie auch Soldat oder Soldatin bist, musst du vor Studienbeginn eine dreimonatige Grundausbildung absolvieren. Diese besteht aus den Bereichen:
- Fitness
- Training der körperlichen Leistungsfähigkeit
- Schieß- und Wachausbildung
- Formal- und Gefechtsdienst sowie Umgang mit Waffen
- Sanitätsdienst und Erste Hilfe
- Pflichten und Rechte
- Einsatzausbildung
- Grundlagenlehre des militärischen Handwerkszeugs
Nach erfolgreichem Abschluss der Grundausbildung kannst du dein Medizinstudium an einer zivilen Universität beginnen. Ob du an deinem Wunschort studieren kannst, richtet sich nach den Ergebnissen aus dem Offizier-Test. Während des Studiums folgst du dem üblichen Curriculum im Semester-Rhythmus, nicht wie sonst bei der Bundeswehr im Trimester-Rhythmus.
Allerdings bist du dazu verpflichtet, in den Semesterferien Lehrgänge und Truppenpraktika absolvieren, die dich auf die Dienstzeit vorbereiten sollen. Außerdem stehen Medizinstudierende bei der Bundeswehr mehr unter Zeitdruck als die zivilen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Denn sie müssen das Studium in Regelstudienzeit absolvieren. Solltest du für dein Studium mehr als sieben Monate länger brauchen, verlängert sich deine Verpflichtungszeit um ein Jahr. Das gesamte Studium solltest du also in sechs Jahren absolvieren.
Dienstantritt und Facharztausbildung
Nach abgeschlossenem Studium folgt eine postuniversitäre modulare Ausbildung (PumA), die sechs Monate dauert. Sie hat zum Ziel, dich nach dem Studium abzuholen und wieder in den militärischen Dienst zurückzuführen sowie dich auf die klinische Verwendung vorzubereiten.
Du verlässt das Studium in der Position eines Sanitätsoffiziers oder Sanitätsoffizierin. Zur medizinischen Weiterbildung wirst du dann in eines der Bundeswehrkrankenhäuser versetzt. Theoretisch bietet die Bundeswehr jede Facharztausbildung an. Jedoch heißt das nicht unbedingt, dass du deine Wunsch-Facharztausbildung auch bekommst. Denn das Angebot richtet sich nach dem Bedarf der Bundeswehr. So stehen beispielsweise die Chancen besser, eine Facharztausbildung im Bereich Chirurgie zu bekommen als im Bereich Kinder- und Jugendmedizin.
Gehalt bei der Bundeswehr
Ein großer Vorteil, wenn du ein Medizinstudium bei der Bundeswehr anstrebst, ist das Gehalt. Da du dich direkt als Soldat oder Soldat in der Offizierslaufbahn verpflichtest, erhältst du bereits während des gesamten Studiums ein monatliches Gehalt. Die Höhe richtet sich nach der Besoldungsgruppe, also deinem Rang, der sich natürlich mit der Zeit und entsprechenden Beförderungen erhöht. Zu Beginn der Grundausbildung kannst du mit etwa 2.000 Euro netto rechnen (Gefreiter, Besoldungsstufe A3). Nach dem Studium startest du im Rang Leutnant, was mit A9 besoldet wird. Das entspricht etwa 3.000 Euro brutto.
Vorteile vs. Nachteile
Insgesamt bietet ein Medizinstudium einige Vorteile, besonders wenn man ansonsten aufgrund des NC keinen anderen Platz bekommen kann. Dennoch solltest du dir über mögliche Nachteile ebenso im Klaren sein. Hier listen wir dir zusammenfassend noch einmal Vor- und Nachteile auf:
Vorteile:
- Abiturdurchschnitt nicht so wichtig (auch mit 2,5 noch gute Chancen)
- Keine Wartezeit bzw. Wartesemester
- Während des Studiums bist du vom Dienst befreit
- Gehalt bereits ab der Grundausbildung von ca. 2.200 Euro netto
- Jobsicherheit nach dem Studium
- Studium an einer zivilen Universität
Nachteile:
- Verpflichtung von 17 Jahren
- Studienort richtet sich nach den Testergebnissen und der Verfügbarkeit
- Studium muss in Regelstudienzeit absolviert werden
- Auslandseinsätze sind möglich
- Facharztausbildung richtet sich nach dem Bedarf der Bundeswehr
- Offiziersausbildung ist verpflichtend
Ob du ein Medizinstudium bei der Bundeswehr anstreben möchtest, ist ganz dir überlassen. Es sollte jedoch nicht nur als Notlösung angesehen werden, um den ansonsten nötigen Abiturdurchschnitt oder Wartezeiten zu vermeiden. Denn in erster Linie bist du bei der Bundeswehr Soldat oder Soldatin und an zweiter Stelle Arzt oder Ärztin. Auf der anderen Seite ist es eine gute Möglichkeit, wenn du deinen Traum von einem Medizinstudium auf jeden Fall wahrmachen möchtest. Ein sorgfältiges Abwägen aller Möglichkeiten ist also sinnvoll.
FAQ
1. Kann man bei der Bundeswehr Medizin studieren? Ja. Du kannst dich für ein Medizinstudium bei der Bundeswehr bewerben. Dabei ist der NC nicht entscheidend. Du verpflichtest dich für mindestens 17 Jahre, das Studium eingerechnet.
2. Ist der NC für ein Medizinstudium bei der Bundeswehr wichtig? Nein. Der NC spielt bei der Bewerbung für einen Medizinstudienplatz bei der Bundeswehr keine Rolle. Trotzdem musst du gewisse Voraussetzungen erfüllen (mindestens 17 Jahre alt, Abitur, deutsche Staatsbürgerschaft etc.) und einen Assessment-Center erfolgreich absolvieren.
3. Was muss man machen, um bei der Bundeswehr ein Medizinstudium zu machen? Du musst einen dreitägigen Test im Assessment-Center absolvieren, bei dem du du deine charakterliche, psychische und physische Eignung unter Beweis stellst. Neben einem Sporttest gehören eine medizinische Untersuchung sowie Tests am PC, persönliche Gespräche und Gruppensituationsverfahren dazu.
4. Wie wird man Arzt oder Ärztin bei der Bundeswehr? Als erstes musst du die für ein Medizinstudium bei der Bundeswehr bewerben. Wenn du das Assessment-Center erfolgreich absolviert hast, startest du zunächst in die Grundausbildung. Anschließend beginnst du an einer zivilen Universität dein Medizinstudium. Nach Abschluss des Studiums kannst du deine Approbation erhalten und beginnst deine Anstellung als Arzt oder Ärztin bei der Bundeswehr.
5. Wie lange dauert das Medizinstudium bei der Bundeswehr? Das Medizinstudium bei der Bundeswehr dauert genauso lang wie ein rein ziviles Medizinstudium, also zwölf Semester (sechs Jahre). Dabei musst du beachten, dass du das Studium in Regelstudienzeit absolvieren musst. Brauchst du länger als die Regelstudienzeit, verlängert sich deine Verpflichtungszeit bei der Bundeswehr.
6. Wie lange muss man sich bei der Bundeswehr für ein Medizinstudium verpflichten? Insgesamt 17 Jahre. Da das Studium selbst in diese Zeit eingerechnet ist, bist du also nach Abschluss des Studiums noch elf Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet.
7. Wie sieht das Medizinstudium bei der Bundeswehr aus? Da du an einer zivilen Universität studierst, gibt es beim Medizinstudium selbst keinen Unterschied, auch wenn du bei der Bundeswehr bist. Allerdings musst du in den Semesterferien Lehrgänge und Truppenpraktika absolvieren.