Das Vorstellungsgespräch: Welche Fragen muss ich beantworten?

Spezialisiert auf das Medizinrecht: Rechtsanwalt Dr. Ruppel berät Ärzte in vielen Fragen
Welche Fragen muss man im Vorstellungsgespräch beantworten? Das klärt Rechtsanwalt Dr. Ruppel aus Lübeck in diesem Beitrag.

Das Hammerexamen ist in der Tasche, die Jobsuche hat begonnen. Ihre Bewerbung war erfolgreich und Sie sind zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Welche Fragen darf der potenzielle Arbeitgeber eigentlich stellen? Darf ich die Beantwortung von Fragen verweigern oder gar lügen?

Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers

Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber nur solche Fragen stellen darf, an deren Klärung er im Hinblick auf die Durchführung des geplanten Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Beantwortung der Frage für den angestrebten Arbeitsplatz und die zu verrichtende Tätigkeit selbst von Bedeutung ist.

Diese Abwägung kann in jedem Vorstellungsgespräch als innerer Leitfaden dienen.

Generell erlaubte Fragen

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Von Bedeutung für die Tätigkeit und damit erlaubte Fragen zielen ab auf die Ausbildung, Qualifikation und den beruflichen Werdegang einschließlich Ausbildungs- und Weiterbildungszeiten. Auch zulässig ist die Frage nach Sprachkenntnissen des Bewerbers, soweit sie für die Tätigkeit von Bedeutung sind.

Das Recht zur Lüge

Darüber hinaus werden aber häufig auch Fragen gestellt, die das Privatleben des Bewerbers betreffen. Daran kann man den potenziellen Arbeitgeber nicht hindern, jedoch sind derartige Fragen arbeitsrechtlich unzulässig. Der Bewerber hat hier ein Recht zur Lüge.

Die Abwägung im Einzelfall

Doch welche Fragen sind in einem Vorstellungsgespräch unzulässig? Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hat hier für eine Reihe typischer Bewerbungsfragen entschieden, ob ein „berechtigtes Interesse“ des Arbeitgebers an der Beantwortung der Frage besteht oder eben nicht.

1. Schwangerschaft

Generell ist die Frage nach einer Schwangerschaft unzulässig. Hier besteht ein „Recht zur Lüge“, d.h. eine schwangere Frau darf die Frage mit „Nein“ beantworten.

Eine schwangere Bewerberin, die sich auf eine unbefristete Stelle bewirbt, darf die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft auch dann falsch beantworten, wenn sie die vereinbarte Tätigkeit wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz nicht ausüben kann. Dieses Hindernis besteht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nämlich nur vorübergehend und es ist dem Arbeitgeber zuzumuten, auf den Arbeitseinsatz der neu eingestellten Schwangeren zunächst zu verzichten. Ob dies allerdings auch dann gilt, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag geschlossen wurde und die Schwangere diese befristete Tätigkeit aufgrund ihrer Schwangerschaft niemals ausüben kann, ist gerichtlich noch nicht geklärt.

2. Krankheit

Der Arbeitgeber ist berechtigt, nach Krankheiten zu fragen, wenn davon die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz abhängt.

Der Arbeitgeber darf im Allgemeinen nicht nach einer bestehenden HIV-Infektion fragen. Für die Tätigkeit eines Arztes in der Vorklinik oder der Versorgungsforschung ist eine HIV-Infektion unerheblich. Gleiches gilt für die Weiterbildung in bildgebenden oder „sprechenden“ Fächern, in denen eine Patientengefährdung ausgeschlossen werden kann.

Eine Ausnahme gibt es wiederum, wenn der Arbeitnehmer auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz nicht arbeiten darf, z.B. bei einer Bewerbung als Arzt, der unmittelbar in der Patientenversorgung tätig sein will. Der Bewerber muss diese Frage wahrheitsgemäß beantworten.

Bei einer Aids-Erkrankung ist die Einsatzfähigkeit in den meisten Fällen erheblich eingeschränkt, deshalb darf der Arbeitgeber diese Frage stellen.

3. Schwerbehinderung

Die Frage nach (Schwer-)Behinderung ist, wenn diese für die auszuübende Tätigkeit ohne Bedeutung ist, in der Phase der Vertragsanbahnung und in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unzulässig. Sie kann aber gerechtfertigt sein, wenn die Behinderung die vertragsgemäße Arbeitsleistung dauerhaft unmöglich macht und ihr Nichtvorliegen daher eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ darstellt.

4. Vorstrafen

Eine allgemeine Frage nach „Vorstrafen“ oder „Vorstrafen aller Art“ ist unzulässig, weil sie keinen konkreten Bezug zu dem beabsichtigten Arbeitsverhältnis hat. Es ist jedoch zulässig, die Frage nach Vorstrafen zu konkretisieren, wenn diese für den zu besetzenden Arbeitsplatz von Bedeutung sind.

Ein Kassierer darf z.B. nach Vorstrafen zu Eigentums- oder Vermögensdelikten gefragt werden. Bei einem in der Patientenversorgung eingesetzten Arzt kann daher etwa nach Körperverletzungs- oder Betäubungsmitteldelikten gefragt werden. Für einen Arzt, der außerhalb der Patientenversorgung etwa in der Krankenhaushygiene oder forschend tätig wird, wären etwa Körperverletzungsdelikte unerheblich.

5. Gewerkschaftszugehörigkeit

Nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit darf der Arbeitgeber grundsätzlich nicht fragen. Möchte er jedoch im Rahmen der Anwendung von Tarifverträgen zwischen Mitgliedern einer Gewerkschaft und Nichtmitgliedern unterscheiden, was rechtlich zulässig ist, darf er den Arbeitnehmer nach der Einstellung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit fragen.

6. Religions-/Parteizugehörigkeit

Ebenfalls unzulässig in einem Bewerbungsgespräch ist die Frage nach der Religions- und/oder Parteizugehörigkeit. Nach der Einstellung ist diese Frage jedoch zulässig, da sie wegen der ggf. abzuführenden Kirchensteuer Voraussetzung für die korrekte Erstellung von Lohnabrechnungen ist. Anders kann dies jedoch bei sog. Tendenzbetrieben wie kirchlichen Krankenhäusern sein.

Zum Autor:

Dr. Thomas Ruppel ist Rechtsanwalt für Medizinrecht in Lübeck. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald. Bereits während des Studiums richtete er seinen Fokus auf das Medizinrecht. Seinen juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte er am Landgericht in Düsseldorf, bei einer Kassenärztlichen Vereinigung und mittelständischen medizinrechtlichen Kanzleien, die ausschließlich Ärzte und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen beraten. Dr. Ruppel promovierte im Bereich der Versorgungsforschung und war unter anderem für eine internationale Rechtsanwaltskanzlei im Bereich Medizinrecht, Arzneimittelrecht und Medizinprodukte tätig.

Im Jahr 2012 absolvierte Dr. Ruppel den Fachanwaltslehrgang für Medizinrecht. Er veröffentlicht regelmäßig in der juristischen und ärztlichen Fachpresse.

Kontakt:
Website: http://www.gesundheitsrecht.de/medizinrecht-anwaelte/dr-thomas-ruppel/
E-Mail: kanzlei@gesundheitsrecht.de
Telefon: 0451 / 29366 500

Autor:
Dr. Thomas Ruppel

Rechtsanwalt, Rechtsanwälte Dr. Ruppel Kanzlei für Medizinrecht und Gesundheitsrecht

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