„Wir können Ihnen den Studienplatz bei uns nicht geben. Sie würden das Studium zwar ohne Probleme absolvieren, aber wir brauchen auch fähige Krankenschwestern. Der Fachkräftemangel ist einfach zu groß.”
Ich spürte, wie mein Herz in die Hose rutschte und meine Knie weich wurden. Ich war sprachlos. Wie konnte das sein? Ich hatte doch so viel gegeben, um meinen Traum zu erfüllen. Ich wollte Ärztin werden, seit ich denken konnte. War der Traum doch zu groß für mich? Und jetzt sagten sie mir, dass ich nicht gut genug war. Dass sie lieber Krankenschwestern brauchten. Dass ich meine Zeit verschwendet hatte. Ich stand auf, meine Sprache verstummt und verließ den Saal. Ich fühlte mich wie eine Versagerin.
Das war vor sechs Jahren. Damals war ich 22 Jahre alt und hatte gerade meine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester abgeschlossen. Ich hatte mich an mehreren Universitäten beworben, um Medizin zu studieren, aber überall wurde ich abgelehnt. Ich verstand nicht, warum. Dabei war der Traum, Medizin zu studieren, echt und nicht nur eine Illusion. Aber es schien, als wäre das nicht genug. Als wäre ich nicht genug.
In den nächsten Jahren begann für mich eine Reise, die von Rückschlägen, Selbstzweifeln, aber auch von Entschlossenheit und unerschütterlichem Willen geprägt war. Mein Traum, Ärztin zu werden, schien in diesem Moment in weite Ferne gerückt zu sein, aber ich beschloss, nicht aufzugeben.
Völlig übermüdet und ausgelaugt von dem Auswahlverfahren kam ich damals nach Hause. Die weite Fahrt und die Nachmittagsschicht am Tag zuvor hinterließen ihre Spuren. Von den Trümmern meines Traumes erschlagen, ging ich am nächsten Tag zur Arbeit. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war, dass ich diese Gefühle noch in den kommenden fünf Jahren weiter erleben durfte.
Aber lass mal von vorne beginnen
Schließlich war doch alles so schön. Meine Kindheit war glücklich und behütet. Mit guten Noten habe ich stets meine Lehrereltern beglückt. Lange wusste ich nicht, was ich machen wollte. Nur eins war klar – es muss was anderes sein als der Beruf der Eltern. Die Antizipation wuchs mit meiner Pubertät, als ich in der Blase meiner Jugend nach dem Erwachsensein strebte.
Was ein Blödsinn
Mit 16 wurde alles anders. Mein Vater verstarb an einer Lungenembolie und meine Mutter ertränkte daraufhin ihre Trauer in Rotwein. Meine älteren Brüder wollten, dass ich zu ihnen zog, aber ich wehrte mich dagegen aus Naivität und der Angst, noch mehr zu verlieren. Die Schule machte schon lange keinen Spaß mehr, scheinbare Schulfreundschaften platzten wie Seifenblasen. Ich wurde zur Außenseiterin, die sich mittags selbst Essen kochen musste, den Haushalt und den Garten pflegte und arbeiten ging. Hier war weder Zeit noch Platz für Träume.
Mit 18 dann endlich raus
Über ein Studium dachte ich schon lange nicht mehr nach. Ich musste erstmal alleine stehen können. Ich wollte endlich unabhängig sein. Ich bewarb mich um eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Was würde mich wohl erwarten? Ich hatte keine Ahnung.
Ich lernte, wie man Kinder pflegt und mit Menschen umgeht, die leben oder sterben. Ich erlernte die Fähigkeit Leben zu retten und war bei jeder Behandlung und Therapie mit Begeisterung für meine kleinen Patienten da. Mein Wissensdurst war kaum zu stillen und jeder Tag im Krankenhaus war anders. Die Entscheidung war goldrichtig.
Ich schloss die Ausbildung erfolgreich ab und fing an, auf einer Kinderintensivstation zu arbeiten. Dort traf ich Menschen, die mir Mut machten. Die mir sagten, dass ich mehr konnte. Die mir zeigten, was es heißt, Ärztin zu sein. Ich war fasziniert. Ich wollte mehr wissen, mehr sehen, mehr machen. Ich erinnerte mich an mich selbst als kleines Mädchen bei der Kinderärztin, das zu seiner Mutter gesagt hatte: „So will ich auch mal sein.” Ich beschloss, meinen Traum zu verfolgen. Ich beschloss, Medizin zu studieren.
Und plötzlich dreht die Welt sich
Nach vier Jahren voller Bewerbungen, Absagen, Hürden und Herausforderungen bekam ich endlich die ersehnte Zusage. Ich konnte es kaum glauben. Ich hatte es geschafft. Ich war angenommen. Ich durfte Medizin studieren. Ich konnte mein Glück kaum fassen!
Das war vor zwei Jahren. Seitdem bin ich im siebten Semester und liebe jeden Tag meines Studiums. Es ist nicht immer leicht, aber es ist immer spannend. Ich lerne so viel, ich erlebe so viel und wachse stetig. Ich bin glücklich. Ich bin stolz. Ich bin auf dem Weg, Ärztin zu werden. Mein Traum wird wahr. Und das alles, weil ich nicht aufgegeben habe. Weil ich an mich geglaubt habe. Weil ich an meinen Traum geglaubt habe. Und das möchte ich Dir mitgeben: Glaub an dich. Glaub an deine Träume. Lass dich nicht entmutigen. Lass dich niemals aufhalten oder klein machen. Du kannst alles schaffen, was du willst. Zieh durch.