Bereits seit 15 Jahre erhebt die Landesärztekammer Hessen durch diese Langzeit-Befragungen einige spannende Daten. Warum entscheiden sich Abiturientinnen und Abiturienten überhaupt für ein Medizinstudium? Welche Berufsvorstellungen haben sie zu Beginn des Studiums? Und haben sich ihre Pläne nach ihrem Abschluss und dem Erhalt der Approbation geändert? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen will die Landesärztekammer jährlich herausfinden.
Und die Medizinstudierenden geben gerne Auskunft: Die Rücklaufquote der Absolventenbefragung liegt im langjährigen Durchschnitt immer bei etwa 50 Prozent, die der Studierendenbefragung sogar bei fast 75 Prozent. Somit sind die erhobenen Daten sehr repräsentativ. Die Kammer fragt auch soziodemographische Daten ab: Aktuell sind knapp zwei Drittel (65,8 Prozent) der Studierenden weiblich, das Durchschnittsalter liegt bei 26 Jahren. Für ihr Studium benötigen sie im Durchschnitt 13 Semester. „Medizinstudierende sind enorm fleißig. Die Regelstudienzeit im Durchschnitt fast einzuhalten, ist bei den geltenden Anforderungen beachtlich”, beschreibt Walter die Ergebnisse. Eine längere Studiendauer sei also nicht ein Problem, das den Ärztemangel befeuere. Auch die Abbrecherquote ist im Medizinstudium viel geringer als in anderen Fächern. So brechen gerade einmal 6 Prozent ihr Medizinstudium ab, im Fach Rechtswissenschaft sind es 38 Prozent.
Medizinstudium: Was ist die Motivation?
Die wichtigste Motivation, ein Medizinstudium zu beginnen, ist laut Befragung „wissenschaftliches / medizinisches Interesse”. 66 Prozent der Befragten gaben das als Grund an. Ebenso wurde die „interessante und vielseitige Tätigkeit” von 63 Prozent als Grund genannt. Für 54 Prozent war der „Umgang mit Menschen” das ausschlaggebende Argument für ein Medizinstudium. Auch der Wunsch, „helfen zu wollen” (34 Prozent) ist ein wichtiger Faktor.
Und wie sehen die Pläne für die Zeit nach dem Studium aus? Zu Beginn des Studiums wollen 37 Prozent der Befragten später als Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus arbeiten. Ein Viertel sagte, dass es noch keine konkreten Pläne gebe, und ein weiteres Viertel träumte von einer Niederlassung als Facharzt oder -ärztin. Eine Niederlassung als Hausarzt oder -ärztin kam für 8 Prozent der Teilnehmenden infrage. Etwa 1 Prozent wollen übrigens nach dem Medizinstudium einen anderen Beruf ergreifen und im nicht-kurativen Bereich tätig sein. Viele der Medizinstudierenden wollen nach ihrem Abschluss jedoch nicht sofort in den Beruf starten. 57 Prozent möchten nach ihrem Examen erst eine kurze Pause einlegen, bevor sie die ärztliche Tätigkeit aufnehmen. 40,5 Prozent wollen direkt nach dem Examen und dem Erhalt der Approbation in den Beruf starten. Dabei haben laut Umfrageergebnis bereits 56,4 Prozent der Absolventinnen und Absolventen nach dem Studium bereits eine feste Stellenzusage.
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Chefarzt? Lieber nicht!
Eine interessante Entwicklung zeigen die Langzeitdaten der Landesärztekammer Hessen, wenn es um die langfristigen Karriereziele der Befragten geht. So streben knapp 30 Prozent eine Oberarzt-Stelle an. Zu Beginn der Befragung 2009 war das noch bei 38 Prozent das langfristige Ziel. Chefarzt oder Chefärztin wollen dabei aber gerade mal nur 4,3 Prozent werden. Für 20,4 Prozent ist eine fachärztliche Selbstständigkeit attraktiv und 9 Prozent wollen als angestellter Facharzt oder -ärztin arbeiten. Generell wird das Angestelltenverhältnis immer beliebter. Zu Beginn der Befragung 2009 wollten noch 5,8 Prozent der Absolventinnen und Absolventen später angestellt arbeiten, im Jahr 2022 waren es schon 16,6 Prozent.
Die Liste der beliebtesten Fachrichtungen für die Weiterbildung hat sich dagegen seit 2009 nicht nennenswert verändert. Auf dem ersten Platz liegt hier konstant die Innere Medizin (22,6 Prozent), auf dem zweiten die Chirurgie (16,7 Prozent) und auf dem dritten die Anästhesie (10,9 Prozent). Fast alle Absolventinnen und Absolventen (92,3 Prozent) wollen auch eine Facharzt-Weiterbildung machen, nur 7,1 Prozent sind sich unsicher. Weniger als 1 Prozent möchte kein Facharzt oder -ärztin werden.
Was ist beim Arbeitgeber wichtig?
Dank des Ärztemangels können sich die Medizinstudierenden nach ihrem Abschluss fast aussuchen, bei wem sie arbeiten möchten, da sie sehr gefragt sind. Doch welche Aspekte sind ihnen bei ihrem späteren Arbeitgeber wichtig? Ganz oben auf der Prioritätenliste steht für 82,7 Prozent der Befragten ein gutes Arbeitsklima, gefolgt von einer interessanten und vielseitigen Tätigkeit (57 Prozent). Ebenso ist 53,2 Prozent eine gute Teamarbeit wichtig und 46,2 Prozent wünschen sich eine Weiterbildungsermächtigung der Einrichtung, in der sie arbeiten. Im Sinne der Work-Life-Balance wünschen sich außerdem 37,8 Prozent, dass die Arbeitszeiten eingehalten werden, die Lebensqualität hoch ist (33,5 Prozent) und der Arbeitsort nahe am eigenen Wohnort ist (32,3 Prozent). Nicht so wichtig sind den Absolventinnen und Absolventen die Aspekte Karrieremöglichkeiten (19,4 Prozent), eigenverantwortliche Tätigkeit (17,8 Prozent) oder ein sicherer Arbeitsplatz (12,2 Prozent).
Was passiert nach dem Studium? Das Weiterbildungsregister
Um den Werdegang der jungen Ärztinnen und Ärzte auch nach dem Studium weiter zu verfolgen, führt die Landesärztekammer Hessen außerdem ein Weiterbildungsregister. Dabei müssen die Weiterbildungsbefugten der Kammer mitteilen, wie viele Ärztinnen und Ärzte bei ihnen eine Weiterbildung absolvieren, mit welcher Wochenarbeitszeit diese beschäftigt sind und ob sie sich aktuell in Elternzeit befinden. Auch hier kann sich die Kammer über hohe Rücklaufquoten von 90 Prozent freuen. Das Ergebnis: Die Zahl der Assistenzärztinnen und Assistenzärzte in Hessen ist bis 2021 konstant gestiegen. Im Jahr 2021 waren insgesamt 7.228 Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung bei der Kammer gemeldet. Im Jahr 2022 wurde erstmals wieder ein Rückgang festgestellt, hier waren es 6.933 Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. Im Durchschnitt sind diese Ärztinnen und Ärzte 34,6 Jahre alt, 57 Prozent sind weiblich.
Quelle: Operation Karriere-Kongress Frankfurt, 24.6.2023, “Impulsvortrag: Beruf und Karriere – Was Nachwuchsärztinnen und -ärzte wirklich wollen”, Nina Walter, Ärztliche Leiterin Stabsstelle Qualitätssicherung und stellvertretende ärztliche Geschäftsführerin, Landesärztekammer Hessen, Frankfurt a.M.