„Eigentlich hatte ich das feste Ziel, Gynäkologin zu werden“, sagt Meckel zu Beginn ihres Vortrags. Doch dann habe sie ihr PJ in der Chirurgie gemacht und sei seither dem Fach treu. Wie man also in die Chirurgie starten könne, sei der individuell, weiß Meckel. Dabei gebe es kein richtig oder falsch, kein schwarz oder weiß. Das Wichtigste ist laut Meckel die Leidenschaft für die Chirurgie: „Man muss Lust darauf haben, alles andere wird sich finden.“
Die passenden Voraussetzungen
Um das Fach ranken sich einige Vorurteile, mit denen Meckel direkt aufräumt. Beispielsweise brauche man keine große Kraft. Natürlich sei es körperlich anstrengender, als nur am Schreibtisch zu sitzen. „Aber in welchem medizinischen Fach sitzt man den ganzen Tag nur am Schreibtisch?“, betont die Oberärztin. Eine gewisse Fitness sei sinnvoll, aber das gelte natürlich für jeden Beruf und nicht nur für den OP-Tisch.
Aber was muss ein guter Chirurg oder eine gute Chirurgin dann für Voraussetzungen mitbringen? Aus Meckels Sicht ist Teamarbeit ein großer Punkt. „Im Team zu arbeiten, ist einfacher. Die Patienten, die man heute operiert, werden morgen von jemand anderem betreut. Man kann nicht überall sein“, erklärt sie. Man müsse lernen, auch Verantwortung zu übernehmen – je mehr Notfallmedizin man ausübe, desto größer sei die Verantwortung. Aber alle Interessierten sollten sich deswegen nicht vom Fach abschrecken lassen. Es sei auch Teil des Ausbildungsauftrags, dass junge Chirurginnen und Chirurgen lernen, mit dieser Verantwortung umzugehen.
Welche Klinik hat welche Vorteile?
Was Meckel ebenfalls an der Chirurgie begeistert: Es sei ein Handwerk, in dem man nie auslerne. „Man lernt immer mehr und immer mehr Techniken, das hört nie auf“, schwärmt sie. Außerdem habe das Fach auch einen ganzheitlichen Aspekt, weil man Patientinnen und Patienten von der Mitteilung der Diagnose bis zur Betreuung nach der Operation begleite.
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Und wo und wie startet man am besten in die Chirurgie? „Ganz frei in der Entscheidung ist man da nicht“, sagt Meckel. Es komme ganz darauf an, wo man später hinmöchte. Stellenangebote in der Herzchirurgie gebe es beispielsweise nicht so häufig. Trotzdem könne man sich zunächst die Kliniken anschauen und diese nach folgenden Kriterien unterscheiden:
- Träger: freigemeinnützig, privat oder öffentlich
- Versorgungsauftrag: Grund-, Regel- oder Schwerpunktversorgung
- Größe: Kleinkrankenhäuser (<50 Betten), Großkrankenhäuser (>650 Betten)
Die Trägerform sei für den Einstieg nicht wirklich relevant, da es in allen Tarifverträge gebe und alle unter einem wirtschaftlichen Druck stünden. Der Vorteil von kleinen Krankenhäusern sei das kleine Team. „Wenn man dort jemanden hat, der einen an die Hand nimmt und ausbilden will, ist das wie eine 1-zu-1-Betreuung und sehr viel wert“, betont Meckel. Sei die Klinik jedoch personell unterbesetzt, komme man natürlich schlecht weiter. Bei Unikliniken gebe es den Vorteil, dass man dort sehr viele Fälle und Situationen sehe. Das sei eine super Erfahrung, die man das ganze Leben über mitnehme. Gleichzeitig komme man aufgrund eines größeren Teams mit geteilten Diensten anfangs weniger zum Operieren.
Welche Fachrichtung? – „Umwege erhöhen die Ortkenntnis“
Und wie sieht es mit der Fachrichtung aus? Auch hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten in der Chirurgie und in anderen Fächern mit einem hohen chirurgischen Anteil:
- Gefäßchirurgie
- Kinder- und Jugendchirurgie
- Orthopädie und Unfallchirurgie
- Thoraxchirurgie
- Herzchirurgie
- Allgemeinchirurgie
- Viszeralchirurgie
- Plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie
- Neurochirurgie
- Augenheilkunde
- Urologie
- Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
- Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
- Haut- und Geschlechtskrankheiten
- Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Man könne auch zwölf Monate in einer Fachrichtung arbeiten und dann wechseln. Diese Zeiten könne man sich für die Weiterbildung anrechnen lassen. „Habt keine Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen“, ermutigt Meckel. „Jedes Jahr, jede Ausbildung bringt euch weiter.“ Getreu nach dem Motto: Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Man solle sich nur nicht verheizen lassen, sodass man schlimmstenfalls der Chirurgie den Rücken kehre.
Arbeitsbedingungen mitgestalten
Jetzt müssen Interessierte nur noch herausfinden, was für sie das Beste ist. Auch hier weiß Meckel Rat: „Vernetzt euch!“ Das sei der dringendste Appell, den sie geben könne. Möglich sei das beispielsweise über LinkedIn oder die jeweiligen Fachgesellschaften, die alle ein junges Forum hätten. „Geht auf Kongresse, trefft Leute. Das ist elementar, wenn man weiterkommen will“, betont die Oberärztin.
Der Fachkräftemangel treffe auch die Chirurgie, keine Frage. Denn auch hier spielen schlechte Arbeitsbedingungen oder eine unzureichende Work-Life-Balance eine Rolle. Doch Interessierte sollten den Fachkräftemangel als Chance sehen. „Ihr seid richtig was wert“, erklärt Meckel. „Nutzt das und gestaltet künftige Arbeitsbedingungen mit!“ Denn beispielsweise eine gute Vereinbarkeit und Familie und Beruf sei in der Chirurgie kein Problem, wofür Meckel als Oberärztin, die gerade schwanger mit ihrem zweiten Kind ist, das beste Beispiel darstellt.
Für mehr Nachwuchsförderung und die Vernetzung von Ärztinnen setzt sich auch der Verein „Die Chirurginnen e.V.“ ein, in dem Meckel Mitglied ist. Er wurde 2021 gegründet und hat mittlerweile mehr als 1.400 Mitglieder. Das Ziel des Vereins ist es unter anderem, sich gegenseitig zu unterstützen. In der Chirurgie und in den Vorständen gebe es immer noch zu wenig Frauen, für dieses Thema setzt sich der Verein ein und will mehr Präsenz schaffen.
Quelle: Operation Karriere Köln, 22.10.2022, „Wege in die Chirurgie“, Dr. Judith Meckel, Oberärztin Chirurgie, St. Elisabeth-Krankenhaus Köln-Hohenlind, Mitglied im Verein „Die Chirurginnen e.V.“