Als Erstsemester im Medizinstudium wird man oft von Institutsleitern der vorklinischen Fächer, aber auch hin- und wieder von Chefärzten in verschiedensten Themen unterrichtet. Gelegentlich sind darunter auch Persönlichkeiten, die einen bleibenden positiven Eindruck hinterlassen. Entweder, weil sie herausragende rhetorische Fähigkeiten haben oder anerkannte Experten ihres Fachs sind – und manchmal gibt es auch Lehrende, denen beide Charakteristika innewohnen und die dadurch den archetypischen Ultraprofessor versinnbildlichen. Doch was hat das alles mit dem PJ zu tun?
Harvard, Stanford, Oxford und einige wenige mehr. Eliteuniversitäten sind weltweit bekannt als die Vorreiterinstitutionen des menschlichen Fortschritts – das weiß jeder Akademiker. Deswegen verwundert es auch niemanden, dass die meisten der eingangs beschriebenen Medizinprofessoren entweder als Post-Doc, Gastprofessor oder während des Studiums zeitweise an einer exzellenten Universität studiert oder geforscht haben. Ist man ein ambitionierter junger Student, ist man möglicherweise auch daran interessiert, einen Auslandsaufenthalt an einer der großen Universitäten zu absolvieren.
Warum Cambridge?
Die University of Cambridge gibt es schon seit dem 13. Jahrhundert. Sie ist dadurch eine der ersten Universitäten überhaupt und hat Gelehrte von welthistorischem Rang hervorgebracht wie Isaac Newton und Charles Darwin – die Urväter und Riesen der Physik und Biologie, auf deren Schultern wir heute forschen, leben und arbeiten. Nach dieser kurzen Einführung erübrigt sich daher eigentlich die Frage nach dem „Warum?“ und es bleibt die Frage nach dem „Wie?“.
Cambridge Elective – School of Clinical Medicine
Die Bewerbung auf das Medical Elective für Medizinstudierende im letzten Jahr ihres Studiums beginnt jährlich im Februar und wird vollständig online auf der Website der School of Medicine abgewickelt. Es gibt nur vorgefertigte Zeitpunkte und Fächer für die Absolvierung des Electives, also sollte man sich vorher genauestens informieren. Außerdem muss man einiges an Fees und Mietgebühren im Voraus zahlen (ca. 1.300 £). Darüber hinaus sollte man als Non-Native-Speaker bei einem englischen Sprachtest (IELTS, TOEFL etc.) eine verhältnismäßig hohe Punktzahl erreichen (TOEFL ibT mindestens 100 Punkte und in jedem Untertest mindestens 25 Punkte). Hat man alle Voraussetzungen erfüllt, wird man in einem Drei-Schritte-Programm evaluiert und gegebenenfalls zugelassen und kann seine Flugtickets buchen.
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Wie sieht das Elective aus?
Das Elective dauert sechs Wochen und findet im Addenbrooke’s Hospital in Cambridge statt. Man wird von einer Medical-Elective-Koordinatorin sehr gut angeleitet und betreut. Am ersten Tag muss man in die Stadt und sich gesundheitlich von der Occupational Health abchecken lassen. Vor dem ersten Tag in der Klinik macht man per Mail mit seinem consultant (quasi Fach- bzw. Oberarzt) einen Treffpunkt aus. Die Hierarchien sind flach und man spricht sich mit dem Vornamen an.
Mein Elective fand in der Rheumatologie statt – ein unglaublich spannendes Fach. Der mir zugewiesene Betreuer war ein consultant, der sich auf Enthesiopathien spezialisiert hat und einer der herausragendsten Ärzte ist, unter denen ich je arbeiten durfte. Darüber hinaus war er auch ein hoch engagierter Lehrer, der sich jeden Tag Zeit genommen hat, mir etwas beizubringen.
Eines Tages auf der ward round (Visite) vermutete mein consultant bei einem Patienten mit geschwollenem Handrücken RS3PE, ein paraneoplastisches Syndrom, das häufig durch Prostata-Karzinome verursacht wird, nur durch das palpieren des besagten Handrückens. Eine Woche später bestätigte sich dann der Verdacht – das war einfach beeindruckend.
Gegen Ende des Electives hat er mich darüber hinaus noch in seine Forschung miteinbezogen. Ich durfte ein Abstract schreiben und die Datenerhebung einer Patientenkohorte mit einer Vor- oder Familiengeschichte von Psoriasis vulgaris durchführen, die ein spezielles Nebenwirkungsprofil (immune-related adverse events) bei Krebstherapie mit Checkpoint-Inhibitoren aufwiesen. Unser Abstract wurde dann Anfang November auf dem National Cancer Research Institute vorgetragen.
Cambridge als Stadt
Es gibt in dieser kleinen, aber feinen Stadt sehr viel zu sehen. King’s College, Christ College und Trinity College. Eagle Pub (Watson und Cricks Ort der Verkündung der Entdeckung der Struktur der DNA) oder The Anchor (quasi der Gründungsort von Pink Floyd; sicher cool für den einen oder anderen, ich bin eher ein Rap-Hörer) – um nur mal ein paar Beispiele zu nennen. Außerdem: Briten lieben Bier. Deswegen fühlt man sich als Deutscher auch nicht unbedingt fehl am Platz. Ein Must-Do ist aber das Stocherkahn fahren durch den Fluss und die ganzen Colleges.
Das Fazit: Ich kann jedem PJler nur empfehlen, sich hier zu bewerben, auch wenn es nicht ganz leicht ist, aufgenommen zu werden.
Dr. med. Deniz Tafrali hat an der Universität Graz Humanmedizin studiert und wird im Jahr 2020 seinen PhD in Berlin beginnen. Er gründete im Oktober 2015 das Internetunternehmen get-to-med, eine Lernplattform mit Aufgaben und Lösungen zur Vorbereitung auf den Medizinertest in Österreich (MedAT). Er ist Redakteur der Studentenzeitschrift “Medizynisch” und Autor der beiden Lernskripte für die Eingangsprüfung der Humanmedizin in Österreich: MedAT 2020/21: Das Lernskript für den BMS und MedAT-H: Das Lernskript für kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, Textverständnis und sozial-emotionale Kompetenzen.