Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen neu denken

Dr. Richard Hixson Nachhaltigkeit
Dr. Richard Hixson setzt sich engagiert für mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen ein. © privat
Dr. Richard Hixson, Consultant in Critical Care Medicine und Mitbegründer von Healthcare Ocean, verfolgt mit Leidenschaft das Ziel, Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen zu fördern. Als Arzt, Umweltaktivist und Entwickler innovativer Lösungen zeigt er, wie Gesundheitseinrichtungen ökologisch verantwortungsvoller handeln können – und warum jeder Schritt in Richtung Nachhaltigkeit zählt.

Ein Arzt mit einer Mission: Nachhaltigkeit und kritische Medizin verbinden

Begonnen hat der Arzt Dr. Richard Hixson seinen Weg zur Nachhaltigkeit im Jahr 2017 als stellvertretender medizinischer Direktor im County Durham and Darlington NHS Foundation Trust. Seine Motivation: „Ich wollte verstehen, wie unsere Gesundheitseinrichtung die Umwelt beeinflusst“, erinnert er sich. Gemeinsam mit der Leitungsebene seiner Gesundheitseinrichtung gründete Hixson eine Nachhaltigkeitsgruppe, um den ökologischen Fußabdruck der Organisation zu analysieren und einen Maßnahmenplan zu entwickeln.

„Ich habe mich intensiv mit Nachhaltigkeit beschäftigt und erkannt, dass es nicht nur um CO₂-Emissionen geht. Unser Konsumverhalten, unser Umgang mit Abfällen und unsere Auswirkungen auf die Wasserressourcen müssen Teil des Gesprächs sein“, erklärt Hixson.

Er fing klein an, suchte nach Bereichen im Krankenhaus, die besonders viel Müll produzieren und suchte nach Alternativen und Wegen, diesen zu reduzieren. Außerdem sprach er mit Kolleginnen und Kollegen und holte diese mit an Bord seiner Mission – all dieses Engagement leistete er neben seiner Tätigkeit als Mediziner. Was als persönliches Interesse begann, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer umfassenden Strategie für nachhaltige Praktiken in Krankenhäusern. Gemeinsam mit der Geschäftsführung gründete er eine Arbeitsgruppe, die den Einfluss des Gesundheitswesens auf die Umwelt analysierte.

Healthcare Ocean: Der Schutz der Meere als globale Aufgabe

Hixsons Engagement für Nachhaltigkeit führte zur Gründung von Healthcare Ocean, einer gemeinnützigen Organisation, die sich auf die Auswirkungen des Gesundheitssektors auf Ozeane und Gewässer konzentriert. „Die Ozeane sind das Herz unseres Planeten, und dennoch berücksichtigen wir ihre Rolle kaum, wenn wir über Umweltprobleme im Gesundheitswesen sprechen“, sagt er. Ein Beispiel: Kontrastmittel aus der Radiologie gelangen nach Anwendung oft in Abwassersysteme und schließlich in die Meere. Diese Mittel enthalten hohe Jodkonzentrationen, die langfristig die Wasserqualität und marine Ökosysteme beeinträchtigen können.

Mit Healthcare Ocean möchte Hixson Bewusstsein schaffen und Lösungen entwickeln. „Es geht nicht nur darum, die Umwelt zu schützen, sondern auch die menschliche Gesundheit zu bewahren. Die Verschmutzung der Ozeane wirkt sich direkt auf die öffentliche Gesundheit aus“, betont er. Als Arzt sieht er sich an dieser Stelle besonders gefordert.

Nachhaltigkeit in der Praxis: Kleine Schritte, große Wirkung

In seiner Tätigkeit als Arzt in der Intensivmedizin setzt Hixson auf direkte Maßnahmen, um nachhaltige Praktiken in den Krankenhausalltag zu integrieren. Ein Beispiel ist die tägliche „Huddle“, eine Besprechung im Team, bei der nicht nur Patientenpläne, sondern auch nachhaltige Maßnahmen diskutiert werden. „Wir sprechen jeden Tag über Nachhaltigkeit. Das schafft Bewusstsein und motiviert die Mitarbeitenden, Veränderungen aktiv mitzugestalten“, erklärt er.

Ein erfolgreiches Projekt, das umgesetzt werden konnte, war die Sensibilisierung für die spezifischen Umweltschäden durch PVC-Medizinprodukte wie Gesichtsmasken und Infusionssets sowie die Einführung umweltfreundlicher Alternativen. „Das Personal wurde über die Vorteile informiert, und es funktionierte. Sie verstanden den Zweck der Veränderung und führten ähnliche Prinzipien sogar in ihrem Privatleben ein“, berichtet Hixson.

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Bildung als Grundlage für nachhaltigen Wandel

Hixson betont, wie wichtig Bildung ist, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken. „Viele Kolleginnen und Kollegen wissen nicht, wie groß der Einfluss des Gesundheitswesens auf die Umwelt wirklich ist. Sobald sie die Zusammenhänge verstehen, sind sie oft hochmotiviert, selbst aktiv zu werden.“ Aus diesem Grund hat er zusammen mit seinem Team Schulungsprogramme eingeführt, die den Mitarbeitenden die Möglichkeiten nachhaltiger Praktiken im Alltag aufzeigen.

Darüber hinaus setzt er auf die Verknüpfung von Praxis und Wissenschaft. Durch Kooperationen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen werden Projekte wie die Reduktion von Anästhesiegasen oder die Wiederaufbereitung medizinischer Geräte vorangetrieben. „Die Verbindung von klinischer Arbeit und Forschung ist entscheidend, um nachhaltige Innovationen voranzutreiben“, sagt er. Auch zur Industrie pflegt der Mediziner Kontakte. Er geht mit ihr in den Dialog und bringt seine ärztliche Sicht ein. Dann wird gemeinsam nach neuen, nachhaltigeren Produkten gesucht oder die Hersteller entwickeln diese neu. Mit dem Unternehmen Philips hat sich eine engere Kooperation ergeben. Die Firma hat mit seinem Krankenhaus Prozesse zu mehr Nachhaltigkeit umgestellt und nach Wegen gesucht, um Müll zu verringern und zu vermeiden.

Technologische Lösungen: Von der Idee zur Praxis

Neben seinen Rollen als Arzt und Aktivist treibt Hixson technologische Lösungen voran, um die Nachhaltigkeit zu verbessern. Ein herausragendes Beispiel ist CPDmatch, eine Plattform, die Fachkräften im globalen Gesundheitswesen die notwendigen Informationen zur Verfügung stellt, um nachhaltige Gesundheitsversorgung mit Netto-Null-Emissionen zu ermöglichen und andere dazu zu inspirieren, die dreifache planetarische Krise – Klimawandel, Verschmutzung und Verlust der Biodiversität – anzugehen. „Die Plattform spart nicht nur Zeit, sondern vernetzt auch Fachkräfte und Bildungsträger, wodurch Bildung effizienter und nachhaltiger wird“, erklärt er.

Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit der Optimierung von Energieverbrauch und Abfallmanagement in Krankenhäusern. „Durch die Implementierung smarter Technologien können wir erhebliche Mengen an Ressourcen einsparen und den ökologischen Fußabdruck von Gesundheitseinrichtungen reduzieren“, sagt Hixson. Dabei arbeitet er eng mit technischen und wissenschaftlichen Teams zusammen, um skalierbare Lösungen zu entwickeln.

Ärztinnen und Ärzte als Treiber des Wandels

Hixson ist fest davon überzeugt, dass Fachkräfte im Gesundheitswesen eine entscheidende Rolle bei der Transformation des Sektors spielen. „Wir haben als Ärzte die moralische Verantwortung, keine Versorgung anzubieten, die den Planeten unnötig belastet“, erklärt er. „Wir müssen Barrieren mit Lieferantenindustrien abbauen und wie nie zuvor zusammenarbeiten, denn bei der Klima- und Umweltkrise schaffen wir es alle gemeinsam oder keiner.“

Doch er erkennt auch die Belastung, die diese Verantwortung mit sich bringt. „Das Gesundheitspersonal hat schon genug Druck, Entscheidungen zu treffen und Leben zu retten. Er kann gut verstehen, wenn sich Kolleginnen und Kollegen, angesichts der Herausforderungen, die der Klimawandel an das Gesundheitswesen stellt, überfordert fühlen. Darum plädiert er dafür, zu schauen, welche Veränderungen im eigenen Wirkungskreis gemacht werden können. „Beginnen Sie mit einer einzigen Änderung. Das kann schon einen Unterschied machen.“

Es gebe erstaunlich viel, was man selbst erreichen könne und außerdem gebe das Impulse an weitere Kolleginnen und Kollegen, sich ebenfalls einzubringen, so der Mediziner. „Es ist wichtig, kleine und umsetzbare Schritte zu ermöglichen, anstatt sich mit zu vielen Aufgaben zu überfordern.“

Globale Verantwortung: Vom Krankenhaus zur Schifffahrtsindustrie

Hixsons Engagement für Nachhaltigkeit geht über Krankenhäuser hinaus und umfasst auch die globale Schifffahrtsindustrie – eine Branche, von der der britische NHS stark abhängig ist, die jedoch jährlich eine Milliarde Tonnen CO₂ ausstößt. „Die Gesundheit des Planeten ist mit allen Industrien vernetzt. Wenn die Schifffahrt nicht nachhaltig ist, beeinträchtigt das direkt unsere Fähigkeit, medizinische Güter zu transportieren“, erklärt er.

Als einer der wenigen Vertreter des Gesundheitswesens, die bei der International Maritime Organization (IMO) gesprochen haben, bringt Hixson eine medizinische Perspektive in diese globale Diskussion ein. „Ich möchte, dass die Schifffahrtsindustrie versteht, wie entscheidend Gesundheit für ihre Abläufe ist – und wie der Klimawandel das bedroht.“

Eine Geschichte, die weitergeschrieben werden muss

Dr. Richard Hixson ist nicht nur ein Arzt, sondern auch ein Innovator und Visionär, der zeigt, dass Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen möglich ist. „Wir müssen Geschichten erzählen, die inspirieren und motivieren“, sagt er. „Denn Fakten allein reichen nicht aus, um Menschen zu bewegen.“

Mit seinem Engagement bei Healthcare Ocean, CPDmatch und seinen Projekten im NHS macht Hixson deutlich: Jeder Schritt zählt – im Krankenhaus, in der Schifffahrt und darüber hinaus. „Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und ein Vorbild zu sein. Für unsere Patientinnen und Patienten, für unseren Planeten und für die kommenden Generationen.“

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