In den Notaufnahmen der Kliniken steigen die Fallzahlen seit Jahren rasant. Die vielen verschiedenen Erkrankungen und Verletzungen machen die präklinische und klinische Notfallversorgung zu einem anspruchsvollen Arbeitsbereich – gerade für Berufseinsteiger. Wer muss sofort in den OP? Wer braucht intensivmedizinische Versorgung? Und welcher Patient ist vielleicht gar kein Notfall?
Informationen, die bei der Entscheidungsfindung helfen, liefern häufig webbasierte Wissensplattformen. Allerdings: Evidenzbasierte Informationen findet man dort meistens nicht. Dass will nun ein Forscherteam der Uni Göttingen ändern: Das Team um Prof. Dr. Sabine Blaschke, ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), und Prof. Dr. Dagmar Krefting, Leiterin des Instituts für Medizinische Informatik, UMG, hat sich erfolgreich um Forschungsgelder des Bundesgesundheitsministeriums beworben.
In dem Verbundprojekt „ENSURE“ zur „Entwicklung smarter Notfall-Algorithmen durch erklärbare KI-Verfahren“ („KI“ steht für „Künstliche Intelligenz“) wollen die Professorinnen den Prototypen für eine bedarfsgerechte, klinische Entscheidungsunterstützung in der Notfallversorgung entwickeln. Das Projekt ist im Oktober 2020 gestartet. Für die kommenden drei Jahre wird es mit insgesamt 1,4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert.
„Unser Ziel ist es, eine smarte Unterstützung für ärztliche Entscheidungen in der Notfallversorgung zu entwickeln, mit der sich die Voraussetzungen für eine zeitnahe, zielgerichtete Diagnostik und initiale Therapie verbessern lässt“, erklärt Blaschke. „Dazu wollen wir sowohl auf breiter Datengrundlage erhobenes, explizites Wissen (sogenanntes regelbasiertes System) als auch Verfahren der Künstlichen Intelligenz (Machine Learning System) einsetzen“. Und Krefting ergänzt: „Die Nachvollziehbarkeit der medizinischen Entscheidungen ist auch beim Einsatz von selbstlernenden Systemen unerlässlich, deshalb steht die Erklärbarkeit der KI-Verfahren im Fokus des Projektes“.
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In einer klinischen Pilotstudie soll der ENSURE-Prototyp an drei Kliniken erprobt werden. Ziel ist es, den Ärzten smarte Notfall-Algorithmen zur Verfügung zu stellen, die sie in der gesamten notfallmedizinischen Behandlungskette unterstützen. Zu den Kooperationspartnern gehören neben der Universitätsmedizin Göttingen auch die Klinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, die Hochschule Heilbronn, das Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz sowie die zentralen Notaufnahmen der Charité Berlin und des Klinikums Fürth.