PJ-Mentoring in Frankfurt: „Es ist eine Win-Win-Situation für alle“

Das PJ-Mentoring am Frankfurter Uniklinikum soll sicherstellen, dass die Studierenden im PJ nicht alleingelassen fühlen. Die individuelle Betreuung steht dabei im Mittelpunkt. | Arbeitsgruppe PJ-Mentoring
Wie lässt sich sicherstellen, dass Studierende im PJ nicht alleingelassen werden und tatsächlich etwas lernen? Im Klinikalltag kann das schnell auf der Strecke bleiben. PJ-Mentoring-Programme wollen hier Abhilfe schaffen. Wie das Mentoring in Frankfurt / Main funktioniert, erklärt Julia Lorenz aus der Fachschaft Humanmedizin im Interview.

Das PJ gilt für manch einen als der wichtigste, aber auch der härteste Abschnitt des Medizinstudiums. Wie kann das PJ-Mentoring-Programm den Studierenden konkret helfen, dieses Jahr zu meistern?

Julia Lorenz: Das Mentoring-Programm am Frankfurter Uniklinikum soll im PJ eine individuellere Betreuung auf Station gewährleisten. Die Mentorinnen und Mentoren sollen den Lernprozess während des gesamten Tertials begleiten und eine 1:1-Betreuung garantieren. Oft ist es ja so, dass die Ausbildung der Studierenden auf der Station unter Vielen aufgeteilt wird. Das ist einerseits sehr gut, weil man dann ein breites Spektrum kennenlernt. Allerdings passiert es so auch, dass die Studierenden sich nicht weiterentwickeln können, weil viele Ärztinnen und Ärzte ihren aktuellen Wissensstand nicht einschätzen können. Deshalb sollen die Betreuenden mit häufigen Treffen und kleinen Prüfungen sicherstellen, dass sie immer über den aktuellen Kenntnisstand und die Erwartungen der Studierenden informiert sind. Dadurch können sie ihnen kontinuierlich Feedback und neue Aufgaben geben. Am Ende soll der Studierende Patientinnen und Patienten unter Supervision eigenständig betreuen können – das wollen wir mit dem Mentoring ermöglichen.

Wie hilft der Mentor bzw. die Mentorin dem Studierenden beim Einstieg in das PJ?

Julia Lorenz: Beide treffen sich am ersten Tag, spätestens aber innerhalb der ersten PJ-Woche. Im ersten Gespräch geht es um gegenseitige Erwartungen, Lernziele und den aktuellen Kenntnisstand des Studierenden. Für die einzelnen Fächer haben wir auch Logbücher, in denen Aufgaben aufgeführt sind, die im PJ übernommen werden können. Diese Aufgaben können dann im ersten Gespräch durchgesprochen werden. Außerdem geht es darum, wen man bei welchen Fragen ansprechen kann, welche wichtigen Telefonnummern man kennen sollte und was für andere Rahmenbedingungen es an der Uniklinik gibt. In den ersten Wochen soll der Mentor bzw. die Mentorin dann dafür sorgen, dass der Studierende an Therapiemaßnahmen und Diagnostik herangeführt wird und unter Supervision verschiedene Aufgaben im Stationsalltag übernehmen kann.

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Wie funktioniert die Zusammenarbeit dann innerhalb des Tertials?

Julia Lorenz: Insgesamt sind über ein Tertial hinweg drei Gespräche vorgesehen – neben dem Anfangsgespräch noch ein Abschlussgespräch und ein Zwischengespräch ungefähr nach der Hälfte der Zeit. Diese Gespräche werden dokumentiert, um festzuhalten, was der Studierende im PJ schon erreicht hat und was noch für Wünsche und Erwartungen bestehen. Parallel gibt es kleine Miniprüfungen, die sogenannten Mini Clinical Examinations – das kann zum Beispiel mal eine Blutentnahme sein. Auch das wird dokumentiert. Die Studierenden bekommen von ihren Mentorinnen und Mentoren Feedback dazu, was noch verbessert werden kann. Durch dieses System können alle auf Station sicher sagen, dass die Studierenden bestimmte Aufgaben beherrschen und im Klinikalltag übernehmen können. Es geht ja nicht darum, dass die Betreuenden die ganze Zeit dabei sind. Sie sollen aber bei Fragen und Sorgen zur Verfügung stehen, die Studierenden durch das PJ begleiten und zum Beispiel auch mal dafür sorgen, dass sie mal bei einer interessanten OP dabei sein können. Am Ende des Mentorings wird den Studierenden eine simulierte Staatsexamens-Prüfung angeboten. Das ist freiwillig und nicht verpflichtend, kann aber bei der Prüfungsvorbereitung sehr helfen.

Wie werden die Mentorinnen und Mentoren auf diese Aufgabe vorbereitet?

Julia Lorenz: Wir haben einen großen Pool an Leuten, die diese Aufgabe übernehmen möchten und die vor den PJ-Tertialen in einer Schulung von Kliniken und Instituten fortgebildet werden. Dafür bekommen sie Mappen mit Unterlagen, die sie für das Mentoring benutzen sollen. Andere Materialien stellen wir online zur Verfügung. Außerdem haben wir an der Uni noch ein Didaktikseminar der Frankfurter Arbeitsstelle für Medizindidaktik „Lehre im Klinischen Alltag“ für Dozierende. Wir ermutigen alle Mentorinnen und Mentoren, dieses Training auch zu durchlaufen.

Wie profitieren die Studierenden konkret von dem Mentoring-Programm?

Julia Lorenz: Super ist die 1:1-Betreuung – also immer zu wissen, an wen man sich mit Fragen wenden kann. Und auch das Feedback ist wichtig – das fehlt in der Universitätsausbildung sonst oft. Die Studierenden wissen auch zu schätzen, dass sich jemand Zeit für sie nimmt: Sie sehen, dass sie einerseits Teil des Teams sind, dass den anderen aber auch gleichzeitig etwas daran liegt, den Nachwuchs gut auszubilden. Sie bekommen ja nicht nur irgendwelche Aufgaben, sondern tun Dinge, die didaktisch sinnvoll sind. So können sie auch ihre persönlichen Lernziele leichter erreichen. Außerdem haben die Betreuenden auch eine Vorbildfunktion: Man lernt auch die Menschen hinter dem Beruf kennen und erfährt, wie andere ihr Leben zwischen Job und Privatleben gestalten. Das ist vor allem auch für Frauen interessant: Die sehen dann beispielsweise, dass es auch in der Chirurgie Möglichkeiten für eine gute Work-Life-Balance gibt.

Was sind die Vorteile für die Betreuenden?

Julia Lorenz: Wenn man das Wissensniveau der Studierenden besser einschätzen kann, kann man sie auch viel gezielter auf Station einsetzen. Das entlastet natürlich alle Kolleginnen und Kollegen. Aber für die Betreuenden – meistens sind es Assistenzärztinnen und -ärzte – geht es eigentlich viel mehr um die Lehre, die sie im Praxisalltag machen: Das wird in dem Programm auch dokumentiert und damit gewertschätzt. Die Lehre am Krankenbett läuft sonst oft einfach nebenher. Bei uns kann man sich für diese Tätigkeit in Zukunft 24 Unterrichtseinheiten anrechnen lassen. Das können sie später für ihre Habilitation nutzen.

Wer profitiert noch von dem Programm?

Julia Lorenz: Wichtig ist uns, dass die Studierenden etwas aus dem PJ mitnehmen: Erfahrung, neue Kenntnisse und Fähigkeiten. Davon profitieren natürlich auch die Patientinnen und Patienten, die sicher sein können, von ausgebildeten Leuten betreut zu werden. Durch die gute Betreuung steigt auch die Attraktivität von Fächern, die sonst vielleicht weniger beachtet werden. Auch die Attraktivität des Krankenhauses steigt, weil sich herumspricht, dass die Lehre hier gut ist. Das Mentoring-Programm ist eine Win-Win-Situation für alle: Die Studierenden, die Betreuenden, die Patientinnen und Patienten und die Klinik.

Gibt es denn genug Mentorinnen und Mentoren?

Julia Lorenz: Wir sind sehr positiv überrascht, wie engagiert die einzelnen Institute Leute für diese Aufgabe anmelden. Bisher haben wir keine Probleme, allen Studierenden jemanden zur Betreuung zuzuweisen. Die Schwierigkeit besteht eher darin, den Kontakt eng genug zu erhalten, wenn die PJlerinnen und PJler durch verschiedene Bereiche rotieren.

Was für Feedback geben die Studierenden zu dem Mentoring-Programm?

Julia Lorenz: Wir evaluieren das Mentoring nach jedem Tertial – da geben die Studierenden zu ihren Betreuenden und generell zum Projekt Feedback. Und sie sind eigentlich durchweg begeistert. Sie haben das Gefühl, persönlich gut betreut zu werden. Zwischen beiden entsteht oft auch ein freundschaftliches Verhältnis.

Wie ist die Idee für das Mentoring entstanden?

Julia Lorenz: Die Studierenden wünschen sich ja schon lange eine gute, strukturierte, kompetenzbasierte Lehre im PJ, die auch mit einer guten Betreuung verbunden ist. Das sieht man auch an den aktuellen Forderungen seitens des bvmd zu einem „Fairen PJ“. Wir haben uns 2016/17 innerhalb der Fachschaft intensiv mit der Verbesserung des PJs in Frankfurt beschäftigt. Unter anderem war eine Verbesserung der Lehre ein ganz wichtiger Aspekt für uns. Da kam im Austausch mit dem ärztlichen Direktor der Uniklinik diese Idee auf.

Gab es dafür Vorbilder?

Julia Lorenz: In den USA und in der Schweiz sind Mentoring-Programme schon lange ein etabliertes Modell. Aber auch an anderen deutschen Kliniken gibt es schon Mentoring-Programme: Ein Beispiel ist die Uniklinik Jena – an diesem Vorbild haben wir uns stark orientiert. Aber auch viele kleinere Krankenhäuser bemühen sich um eine individuelle PJ-Betreuung. Das ist eine Möglichkeit, das Haus für Studierende attraktiv zu machen und ärztlichen Nachwuchs anzuziehen.

 

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