Ein Martinshorn schützt auch vor Unfällen nicht

privat/DÄV
Mit Blaulicht und Sirenen lassen sich auf der Wache auch Späße treiben. Doch im Einsatz könnten sie lauter und auffälliger sein. Unser Operation Karriere-Blogger Laurin erzählt in seinem neuen Beitrag, wann es mal mehr sein darf und warum ein Fahrsicherheitstraining Leben retten kann.

Auf der Rettungswache war es ein beliebter Spaß, jüngere oder neue Mitarbeitende zu bitten, im Keller nach „frischem Blaulichtwasser“ zu suchen. Üblicherweise trottete der oder die Auserwählte dann zu einem Mitarbeitenden, der natürlich in den Spaß eingeweiht war, und den oder die Auserwählte zur nächsten Mitarbeitenden weiterschickte. Weitere Beispiele für solche Späße waren die Suche nach ein paar „Schenkelblöcken“ oder „kräftigen Sirenen im Regal ganz hinten“.

Doch Spaß beiseite, die kräftigen Sirenen hätte ich mir in der einen oder anderen Situation bei meinen Einsatzfahrten durchaus gewünscht. Man muss dazu wissen, dass der 08/15 Rettungswagen üblicherweise mit einem „normalen“ Einsatzhorn ausgestattet ist, das man im Volksmund auch gerne als Martinshorn bezeichnet. Davon abzugrenzen ist das Presslufthorn, welches sich einige Dezibel lauter und mit einer anderen Frequenz bemerkbar macht. Vorteil dieses Presslufthorns ist hauptsächlich die Tatsache, dass es im Vergleich zu den normalen Signalhörnern von den Autofahrenden deutlich besser wahrgenommen wird.

Nicht jeder Einsatz braucht Signal und Blaulicht

Im Durchschnitt sind ca. die Hälfte aller Aufträge, die ein Rettungswagen von der Leitstelle disponiert bekommt, dringliche oder disponible Krankentransporte, die natürlich ohne Verwendung von Einsatzhorn und Blaulicht durchgeführt werden. Hinzu kommen sogenannte Rettungswagen-Aufträge, die zwar die Kompetenz eines vollausgestatteten Rettungswagens erfordern, jedoch nicht „dringlich“ genug sind, um eine Missachtung der Verkehrsregeln und eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu rechtfertigen. Einmal offen gesagt, für den „Notfall“ eines akut eingewachsenen Zehennagels muss während der Rushhour um 15 Uhr niemand mit überhöhter Geschwindigkeit und entgegen einer Einbahnstraße zum Einsatzort eilen. Doch es gibt eben auch eine andere Einsatzkategorie, zu denen alle wirklich dringenden Notfälle zählen, die eine Verwendung von Signal und Blaulicht rechtfertigen.

Schnell die Rutschstange hinunter oder zum Rettungswagen rennen? Unser Operation Karriere-Blogger Laurin ist der Idee nicht abgeneigt, weiß aber, dass der Schutz der eigenen Gesundheit Vorrang hat. Doch das sehen nicht unbedingt alle so.

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Zu Beginn meiner rettungsdienstlichen Ausbildung erhielt ich im Rahmen meiner Fahrausbildung ein Fahrtraining, bei dem kritische Verkehrssituationen wie beispielsweise das Bremsen auf glatter Fahrbahn oder das schnelle Ausweichen vor einem Hindernis trainiert wurden. Ich muss ehrlich sagen, dass sich das Handling in einem 3,5 Tonnen schweren Rettungswagen inklusive Patient schon ein bisschen anders als bei einem VW Golf anfühlt. Initial dachte ich bei der Ankündigung eines Fahrtrainings natürlich: „Warum denn ein Fahrtraining, ich habe doch erst den Führerschein gemacht.“ Doch ich irrte mich gewaltig.

Schlimmeres mit sicherer Fahrweise verhindern

In keiner Zeit meines Lebens habe ich mich so aktiv mit dem Autofahren beschäftigt wie während der Zeit im Rettungsdienst. Insbesondere das weitsichtige und vorausschauende Fahren sowie der schnelle Umgang mit unvorhersehbaren Verkehrssituationen wurde in vielen Einsatzfahrten immer wieder trainiert. Einmal, es war inzwischen Winter geworden und hatte den ganzen Tag geregnet, lagen wir in einer Nachtschicht auf den Sofas vor dem Fernseher, als wir plötzlich zu einem Notfall alarmiert wurden. Es hatte zwischenzeitlich auf der Straße gefroren und die Ausfahrt unserer Rettungswache war schon spiegelglatt. Während der Einsatzfahrt fuhren wir auf einen vor uns fahrenden Lastwagen auf, der uns offensichtlich keinen Platz einräumte. Beim Abbremsen merkten der Kollege und ich, wie das Hinterteil unseres Rettungswagens plötzlich zu schlingern begann. Nur durch ein kompetentes und schnelles Eingreifen, wie es uns im Fahrsicherheitstraining beigebracht wurde, konnte mein Kollege Schlimmeres verhindern.

Anscheinend hatte uns der Fahrer des Lastwagens wirklich nicht gehört und unsere Blaulichter hatten sich, durch die deutlich veränderte Sitzhöhe des LKW-Fahrers, nicht in dessen Rückspiegel reflektiert. Obwohl wir uns sicher waren, dass uns der Vorfahrende doch sicher wahrnehmen müsse, wurde uns das Gegenteil bewiesen. Zur Freude aller ging diese Einsatzfahrt noch glimpflich aus und ich kann voller Freude berichten, dass ich glücklicherweise nie größeren oder gefährlicheren Verkehrssituationen ausgesetzt wurde. Anderen Kollegen ging es jedoch anders, sodass das Kollegium Geschichten vom kleinen Kratzer bis hin zum Totalschaden erzählen kann. Wichtig war mir immer, dass auch meinen nachfolgenden FSJ-Kollegen direkt kommuniziert wurde, wie schnell sich auf Einsatzfahrten gefährliche Situationen ergeben können. Im Zweifel gilt wie immer: Der Eigenschutz geht vor und zu diesem Eigenschutz gehört eben auch das vorausschauende und risikoorientierte Fahren auf Einsatzfahrten.

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