In der Vorklinik ist der Alltag geprägt von einem straffen Stundenplan mit zahlreichen Vorlesungen, Seminaren und Praktika, die oft Präsenzpflicht haben. Im Verlauf des zweiten Semesters entscheide ich mich dazu, die Anzahl der besuchten Vorlesungen zu reduzieren, bis ich schließlich im dritten Semester zu gar keiner mehr gehe. Durch die Corona-Pandemie zeichnen die Professoren ihre Vorlesungen größtenteils auf und stellen sie online zur Verfügung. Sollte das einmal nicht der Fall sein, arbeite ich die Folien selbst durch, was mir wertvolle Zeit spart und eine flexiblere Einteilung ermöglicht.
Sport als Ausgleich und Rennradtour nach Porto
Als wichtiger Bestandteil meines Alltags und vor allem zum Ausgleich neben Studium und Nebenjob dient mir der Sport, vor allem das Laufen und Rennradfahren. Leider erleide ich beim Fußballspielen einen Kreuzbandriss, welcher mich die nächsten Monate immobilisiert. Nach kurzer Überlegung entscheide ich mich für eine ambulante OP während des Semesters. Dadurch fällt von jetzt auf gleich mein gewohnter Sportausgleich weg, stattdessen steht tägliches Reha-Programm auf dem Plan.
Mit viel Disziplin schaffe ich es innerhalb von vier Monaten, wieder fit genug zu sein, um meinen Traum, den ich mir ein paar Monate zuvor in den Kopf gesetzt habe, zu verwirklichen: eine Rennradtour von Deutschland nach Porto. Überraschenderweise treten keinerlei Probleme mit meinem Knie auf, nicht einmal ein einziger Platten während der insgesamt 3.000 Kilometer und 30.000 Höhenmetern. Noch nie war ich so lange alleine unterwegs, trotzdem fühle ich mich nie einsam. Ich erlebe sehr viel in der Zeit, was aber eine Geschichte für sich ist und den Rahmen hier sprengt. Ein paar kleine Eindrücke habe ich auf meiner Instapage (@cyclingseba) festgehalten und dokumentiert.
Die Reise begeistert mich so sehr, dass ich bereits weiß: Das war nicht meine letzte Radtour mit dem Zelt. Nach 27 Tagen erreiche ich endlich Porto und verbringe noch zwei Wochen in Portugal. Beim Wandern und Wildcampen an der Algarve finde ich die schönsten Schlafplätze direkt an der Küste und verbringe hier zum ersten Mal ganz allein und ohne Handy meinen Geburtstag – eine empfehlenswerte Erfahrung.
Das Physikum im Nacken
Nach einem kurzen Aufenthalt in Lissabon fliege ich dann mit meinem Fahrrad zurück nach Deutschland und starte mehr oder weniger direkt mit dem dritten Semester. Die Umstellung hat ein paar Tage gebraucht: von Herausforderungen wie Schlafplatz finden, genug zu essen und (überraschenderweise auch in Spanien) nachts nicht zu erfrieren, hin zu alle drei Wochen Prüfung und Alltagsstress – zwei ganz unterschiedliche Welten.
Im dritten Semester wird langsam deutlich, dass die erste große Härteprüfung mit dem Physikum immer näher rückt. Alle fangen an, sich langsam damit auseinanderzusetzen, und man spürt, dass es ernster wird. So richtig Gedanken dazu mache ich mir dann erstmals in den Semesterferien zwischen dem 3. und 4. Semester, indem ich mir vornehme, im anstehenden Präpkurs, der bei uns in einem Zwei-Wochen-Block durchgeführt wird, die komplette Anatomie zu wiederholen. Doch das klappt eher semi-gut. Ich glaube, ich lerne insgesamt zwei Stunden in den zwei Wochen Anatomie und genieße den Rest der Zeit das Frühlingswetter. „Wird schon irgendwie klappen”, denke ich mir, so wie es bisher immer irgendwie geklappt hat.
Am Ende des letzten Semesters ist im Curriculum viel Biochemie-Wiederholung der vorangegangenen Semester geplant, was sich zunächst als mühsam erweist, aber letztendlich sehr sinnvoll ist, da es den anstehenden straffen Lernplan etwas entzerrt.
Das letzte Vorklinik-Semester vergeht schneller als gedacht, und schon steht der 30-tägige Lernplan für das Physikum vor der Tür.