Das Praktische Jahr in der Schweiz: Arbeiten am Zürichsee

privat / DÄV
Operation Karriere-Bloggerin Aria Ahadzada zieht es in die große weite Welt: Sie hat schon in den USA gelebt und macht auch ihr PJ in der Schweiz. Im Beitrag schildert sie, warum sie sich für die Alpenrepublik entschieden hat und wie ihr Start dort war.

Im 1. Semester des Medizinstudiums wurde in einer Fachschaftssitzung eine ehemalige Fachschaftsrätin angekündigt, die aus der Schweiz angereist war und uns von ihrer Assistenzzeit berichten wollte. Maria war sehr liebenswürdig und erzählte uns stolz, wie sie vor kurzem ihre Approbation erhalten hatte und jetzt in der Schweiz den Facharzt für Kardiologie machte. Sie erzählte von der Herrlichkeit der Schweizer Berge und dass sie bei der Arbeit sehr viel Spaß hatte. Jetzt war ich neugierig. Ich hatte bereits von meiner Mutter viel Positives über die Schweiz gehört, die auch Ärztin ist und immer wieder Aufträge in der Schweiz hat.

USA? Kanada? Australien? Oder doch die Schweiz?

Als es soweit war die Krankenhäuser für mein Praktisches Jahr auszuwählen, kamen viele Länder in Betracht. USA, Kanada und Australien sind sehr beliebte Ziele und stark umworben. Dort muss man sich oft ein bis zwei Jahre vorher bewerben und zum Teil sogar Studiengebühren für das PJ-Tertial zahlen. Viele Medizinstudierende entscheiden sich aber auch für die Schweiz. Das erste Tertial wollte ich an meiner Heimatuniversität bleiben und entschied mich für die Heidelberger Pädiatrie. Die Pflichttertiale “Chirurgie” und “Innere Medizin” wollte ich beide im Ausland machen, jeweils ein Tertial in der Schweiz und ein Tertial in Australien. Aufgrund der COVID-19-Epidemie war es dieses Jahr aber leider schwierig weit zu reisen. So kam es dazu, dass ich beide Pflichttertiale in der Schweiz organisierte.

Am 1. August 2020 war es soweit. Ich hatte alles gepackt und die Wohnung für den Untermieter geräumt. Meine Mutter wartete bereits mit dem Auto auf mich. In Zürich angekommen, fuhren wir als erstes zum Jelmoli, einem grossen Einkaufszentrum. Ich musste einige letzte Kleinigkeiten kaufen. Die Preise hier sind ganz anders als bei uns in Deutschland – die gleichen Produkte kosten hier zum Teil doppelt so viel. Darauf muss man vorbereitet sein. Die Stadt selbst war schön, wie immer. Die Altstadt ist ein kulturelles Muss und der Zürichsee, als Herzstück der Stadt, ist zauberhaft.

Herzliches Willkommen

Später spazierten wir zur Promenade am Spital mit Aussicht auf die Stadt Zürich. Der Himmel war blau und die Luft war rein und frisch. Die Schweizer Berge umrahmten die Stadt und die Sonne strahlte über den weiten Horizont. Allerseits wurde man freundlich begrüßt. Seltsamerweise fühlte sich die Stadt bereits sehr früh wie zuhause an.
Die erste Woche am Universitätsspital war sehr eindrucksvoll. Ich war überrascht von der Wärme und Herzlichkeit vieler Mitarbeiter. Die PJ-ler hier werden “Unterassistenten” genannt. Anders als bei uns machen Schweizer Medizinstudenten ihr Praktisches Jahr im 5. Studienjahr. Das 6. Studienjahr in der Schweiz dient der Vorbereitung auf das Staatsexamen und beinhaltet viele Wiederholungskurse. Wir sind damit als deutsche Medizinstudierende sehr gut vorbereitet. Andererseits darf man in Deutschland im Praktischen Jahr zum Teil etwas selbstständiger arbeiten als hier.

Werbung


Im Rahmen des Tertials rotierte ich auf drei unterschiedliche Stationen. Als erstes rotierte ich auf die Pneumologie. Hier habe ich als PJ-lerin die Eintritte gemacht. Die Patienten waren zum Teil schwer krank. Sie hatten COPD im letzten Stadium, metastasierte Lungentumore, Cystische Fibrose und viele weitere Lungenkrankheiten. Cystische Fibrose, oder auch Mukoviszidose, ist eine autosomal-rezessiv vererbte Krankheit, bei der Chlorid-Ionenkanäle mutiert sind. Dadurch ist der Wasserhaushalt in der Lunge und weiteren Organen zu niedrig. In der Lunge führt die Mutation zur Ansammlung zähflüssiger Sekrete und häufigen Atemwegsinfekten. Im Verlauf werden die Atemwege zerstört und die Patienten brauchen als letzten Ausweg oft im jungen Alter eine Lungentransplantation.

Beeindruckende Erlebnisse auf der Notfallstation

Als zweites kam ich auf die Notfallstation. Auf dieser Station wird man mit diversen Krankheiten konfrontiert und bekommt einen sehr breiten Einblick in die Medizin. Als erstes wird triagiert – hierbei wird die medizinische Dringlichkeit bei Patienten nach bestimmten evidenzbasierten Kriterien beurteilt. Hochrisikopatienten müssen sofort gesehen werden und werden priorisiert. Patienten mit weniger risikoreichen Anliegen müssen teilweise warten. Diese Station war sehr eindrücklich. Zuweilen wurden sogar Patienten aus dem Ausland eingeflogen. Ich erinnere mich gut an einen Patienten, der aus der Türkei transportiert wurde. Er hatte diabetische Ulzera an beiden Füßen, die zum Teil bis zum Knochen vordrangen. Aufgrund der schweren Osteomyelitis mussten die Füße leider teilweise amputiert werden.

Als letztes rotierte ich auf die Kardiologie. Die Patienten hier kommen mit Arteriosklerose, Herzklappenfehlern, Herzversagen, angeborenen Herzmuskelkrankheiten (Kardiomyopathien) und vielen weiteren Diagnosen. Auch auf dieser Station war ich als PJ-lerin für die Eintritte zuständig. Es gab aber auch die Möglichkeit bei interventionellen Eingriffen im Herzkatheterlabor oder auch in der Rhythmologie zuzuschauen. Im Herzkatheterlabor werden täglich Koronarangiographien durchgeführt. Patienten mit Herzinfarkten werden hier nach verengten Herzkranzgefäßen untersucht und diese Gefäße werden dann mittels Ballonangioplastien oder Stents offen gehalten. Diese Therapie rettet täglich viele Patientenleben. Die Kardiologie ist wirklich ein faszinierendes Fachgebiet.

Obwohl mir das Tertial sehr gut gefiel, konnte ich mich bisher nicht für ein Fachgebiet entscheiden. Vielleicht wird es ja doch die Chirurgie? Das Praktische Jahr in der Schweiz kann ich euch jedenfalls weiterempfehlen. Falls ihr weitere Fragen habt, könnt ihr mich unter ahadzada@med.uni-heidelberg.de jederzeit erreichen! 🙂

Artikel teilen

DAS KÖNNTE DICH AUCH INTERESSIEREN

THEMA: Lernen, Üben, Prüfen
THEMA: Mitten zwischendrin