best3: Studierende haben mehr psychische Erkrankungen

best3 Studierendenbefragung mehr psychische Erkrankungen © olezzo - Adobe Stock
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Immer mehr Studierende in Deutschland leben mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Und gerade die psychischen Erkrankungen nehmen stark zu. Mit welchen Problemen haben die Studierenden in ihrem Studium zu kämpfen? Antworten liefert die aktuelle Studierendenbefragung best3.

20 Prozentpunkte mehr bei psychischen Erkrankungen – diese Zahl klingt gewaltig. Gaben im Jahr 2011 noch 45 Prozent der Studierenden mit einer gesundheitlichen studienerschwerenden Beeinträchtigung an, eine psychische Erkrankung zu haben, waren es im Jahr 2021 schon 65 Prozent. Das ergab die aktuelle Studierendenbefragung best3. Hierfür wurden insgesamt mehr als 180.000 Studierende zum Thema Studieren mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung befragt.

Studium ist schwerer zu bewältigen

Insgesamt gaben etwa 16 Prozent der Befragten an, eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu haben. In den vorherigen Befragungen aus den Jahren 2011 und 2016 waren es noch acht bzw. elf Prozent. In dieser Gruppe leben 69 Prozent mit einer einzelnen studienerschwerenden Beeinträchtigung, 31 Prozent sind mehrfachbeeinträchtigt.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Gründe für den starken Anstieg der psychischen Beeinträchtigungen nicht genau unterschieden werden können. Man könne sie einerseits auf die Coronapandemie, andererseits auf die größer werdende Akzeptanz psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft und einen offeneren Umgang damit zurückführen. Doch wie schwer beeinträchtigt die Studierenden ihre Erkrankung? Laut Umfrageergebnisse sagen Studierende mit einer schweren Mehrfachbeeinträchtigung (72,5 Prozent) oder einer psychischen Erkrankung (66,1 Prozent), dass dies ihr Studium (sehr) stark erschwere. Deutlich niedriger sind diese Anteile bei Studierenden mit einer Teilleistungsstörung (15,4 Prozent), Sehbeeinträchtigung (12,5 Prozent) oder Hörbeeinträchtigung (11,6 Prozent).

Insgesamt sind Studentinnen und Studierende mit einer diversen oder anderen Geschlechtsidentität häufiger von einer psychischen Erkrankung betroffen (66,9 Prozent) als ihre männlichen Kommilitonen (62,3 Prozent). Außerdem sind psychische Erkrankungen bei Studierenden unter 20 Jahren mit einer studienerschwerenden Beeinträchtigung häufiger (70 Prozent) als bei Studierenden ab 31 Jahren (56 Prozent).

Fächerauswahl bei Studierenden mit psychischer Erkrankung

Studierende, die eine psychische Erkrankung oder gleich schwere Mehrfachbeeinträchtigung angegeben haben, belegen häufiger die Fächer Sozial-, Politik- oder Verwaltungswissenschaften oder Psychologie. Im Bereich Medizin (Human- und Zahnmedizin, Gesundheitswissenschaften inkl. Sport) studieren 6,6 Prozent der Studierenden mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Die Art der Beeinträchtigung aus dieser Gruppe teilt sich wie folgt auf:

  • psychische Erkrankung: 5,9 %
  • chronische Erkrankung: 8,5 %
  • gleich schwere Mehrfachbeeinträchtigung: 6,5 %
  • andere Beeinträchtigung: 7,0 %
  • Teilleistungsstörung: 6,9 %
  • Bewegungsbeeinträchtigung: 11 %
  • Sehbeeinträchtigung: 5,8 %
  • Hörbeeinträchtigung: 8,1 %

Hoher Beratungsbedarf

Auffällig ist auch, dass laut der Ergebnisse Studierende mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung häufiger ihr Studium mindestens einmal unterbrechen (22 Prozent) als es bei Studierenden ohne Beeinträchtigung der Fall ist (9 Prozent). Das trifft besonders auf Studierende mit einer schweren Mehrfachbeeinträchtigung (17 Prozent) oder psychischen Erkrankung (16 Prozent) zu. In dieser Gruppe treten auch Studienfachwechsel oder Hochschulwechsel häufiger auf. Ebenso fällt ihnen (48,2 bzw. 41,6 Prozent) besonders die Studienorganisation und -ordnung schwer.

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98 Prozent der Studierenden mit einer psychischen Erkrankung geben an, dass sie einen Informations- oder Beratungsbedarf bei finanzierungs-, studienbezogenen oder persönlichen Themen haben. Rund 70 Prozent der Studierenden mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung nutzen entsprechende Angebote innerhalb und außerhalb ihrer Hochschule. Besonders häufig werden Beratungen zum Thema depressive Verstimmungen genutzt (56 Prozent). Kein anderes Thema ist so sehr unter den Studierenden gefragt. Rund 70 Prozent der Studierenden mit einer psychischen Erkrankung kennen diese Beratungsstellen ihrer Hochschule, aber nur etwa 34 Prozent nutzen sie auch.

Wenig Verständnis

Gleichzeitig stellen Studierende mit psychischer Erkrankung weniger Anträge auf Nachteilsausgleiche, beispielsweise bei Prüfungen, obwohl sie hier die meisten Schwierigkeiten haben. Oft fühlen sie sich selbst nicht beeinträchtigt genug (61,7 Prozent) oder haben Hemmungen, sich an jemanden zu wenden (42,9 Prozent). Ein Problem ist auch, dass Anträge abgelehnt werden können. Kam es bei Studierenden mit einer psychischen Erkrankung zu so einem Fall, lag es bei mehr als einem Drittel (37,3 Prozent) daran, dass ihre Erkrankung als Grund für einen Nachteilsausgleich nicht akzeptiert wurde.

Darüber hinaus ist die soziale Interaktion mit anderen Mitstudierenden oder Lehrenden für Studierende mit einer psychischen Erkrankung laut Umfrageergebnisse problematisch. Rund 60 Prozent derjenigen mit einer psychischen Erkrankung sagen, dass sie nicht oder kaum offen mit ihren Mitstudierenden über ihre Schwierigkeiten reden können. Bei Gesprächen mit Lehrenden ist der Anteil zwar geringer, liegt aber dennoch bei mehr als 30 Prozent. Auch beim Thema Unterstützung sieht es schlecht aus: So fühlen sich Studierende mit psychischer Erkrankung von ihren Mitstudierenden zu etwa 62 Prozent wenig oder gar nicht unterstützt. Bei den Lehrenden ist der Anteil mit rund 74 Prozent sogar noch deutlich höher.

Zum Hintergrund

An der Studierendenbefragung best3 haben im Sommersemester 2021 insgesamt mehr als 180.000 Studierende von 250 Hochschulen teilgenommen. Die Autoren der Studie machen darauf aufmerksam, dass die Befragung der Studierenden im Sommersemester 2021 stattfand, also während der Coronapandemie. Aus diesem Grund könne man die beschriebenen Ergebnisse und Veränderungen nicht eindeutig als pandemiebedingte Ausnahmen oder als Trendwende einordnen. Das müssten erst zukünftige Befragungen ergeben.

Quelle: Die Studierendenbefragung in Deutschland: best3 – Studieren mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, 2023

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