Karriere ist ein weit gefasster Begriff und kann für jeden und jede individuell etwas anderes bedeuten. Doch auffällig im Bereich der Medizin ist, dass Spitzenpositionen beispielsweise der klinischen Universitätsmedizin nur zu einem geringen Anteil (13 Prozent) von Frauen besetzt sind. „Wir sind weit von einer Parität entfernt“, beschreibt Pannenbäcker die Situation.
Thomas fördert Thomas
Dabei fällt auf, dass gleichzeitig mittlerweile über 60 Prozent der Medizinstudierenden Frauen sind. Auswirkungen auf Spitzenpositionen hat das bisher aber noch nicht. Woran kann das liegen? „Es gibt viele Ideen und Gedanken dazu“, sagt Pannenbäcker. Positionen wie Vizepräsidentin, Schatzmeisterin oder Schriftführerin seien häufig diejenigen, die durch Frauen besetzt werden.
Eine mögliche Erklärung sei auch der sogenannte „Thomas-Kreislauf“, wie ihn die AllBright-Stiftung 2017 in einer Studie über männliche Monokulturen in Vorständen beschreibt. Dieser besagt, dass Vorstandsmitglieder diejenigen Personen als Nachwuchs fördern, die ihnen ähnlich sind: Ist also ein Mann Vorsitzender, fördert er meistens auch einen Mann, der ihm in Alter, Herkunft und Ausbildungshintergrund ähnelt oder ihn an sich selbst in jüngeren Jahren erinnert. Ist nicht bereits eine Frau ebenfalls im Vorstand, ist es sehr schwierig für sie, dort hineinzukommen.
Festgesetzte Rollenstereotype
Ein weiteres Problem sind laut Pannenbäcker auch die Rollenstereotype. „Wir haben in der Gesellschaft einfach gewisse Rollenvorstellungen“, weiß Pannenbäcker. Dies sei besonders in der Corona-Pandemie aufgefallen. Denn oftmals sind es die Frauen, die die Arbeitszeit reduzieren und sich um die Familie kümmern. Zwar gehen auch vermehrt Männer in Elternzeit, doch meistens kommen Frauen nach einer Schwangerschaft in Teilzeit zurück und haben es schwer, eine Anstellung als Oberärztin oder leitende Positionen zu bekommen.
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Auch in Sachen Facharztweiterbildung gibt es bei der Fächerwahl Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Viele Frauen entscheiden sich für die Gynäkologie oder die Kinder- und Jugendmedizin. Zwar steigt der Frauenanteil in anderen Fachrichtungen, doch oftmals werden sie der „sprechenden Medizin“ zugeteilt, Männer hingegen technischen Fachrichtungen. „Das wirkt sich natürlich auch auf das Gehalt aus“, erklärt Pannenbäcker. Radiologen hätten ein höheres Einkommen als Kinder- und Jugendmediziner oder Medizinerinnen.
Bewusstsein und Präsenz schaffen
Aber wie lässt sich die Situation ändern? „Das Bewusstsein muss sich ändern“, fordert Pannenbäcker. Mehr Frauen müssten in die Berufspolitik, damit auch hier andere Denkweisen auf die Missstände aufmerksam machen. Zusätzlich müsse es andere und neue Arbeitszeitmodelle geben, beispielsweise eine geteilte Chefarztposition im Sinne des Job-Sharing. Diese Änderungen könnten nicht von heute auf morgen entstehen, aber sie seien definitiv erreichbar. Der Deutsche Ärztinnenbund setze sich dafür ein, dass diese Ziele zügig vorangebracht werden.
Quelle: Operation Karriere-Kongress Essen, 30. April 2022, Frauen in der Medizin – Herausforderungen auf dem Karriereweg als Ärztin, Jana Pannenbäcker, Mitglied im Vorstand des Deutschen Ärztinnenbundes