Im Rahmen meines Studiums war ich vier Wochen für eine Famulatur in der Praxis meines Hausarztes tätig. Der Wechsel vom Adrenalin-getriebenen Rettungsdienst zur ruhigeren Atmosphäre einer Hausarztpraxis war für mich am Anfang eine bedeutende Veränderung. Obwohl ich davor schon dutzende Male Kontakt zu Patientinnen und Patienten in der allgemeinärztlichen Versorgung hatte, prägte die Erfahrung als Famulant meine Sichtweise auf die Medizin und die Patientenversorgung nachhaltig. In der Hausarztpraxis sah ich das gesamte Spektrum menschlicher Gesundheit und Krankheit. Die enge Verbindung zwischen Hausarzt und Behandelten bot eine einzigartige Perspektive auf die Bedeutung von langfristigen Beziehungen und Präventivmedizin. Diesen Aspekt kannte ich bisher aus der reinen „Schulmedizin“ meines Studium noch nicht. Ebenso spielte die ärztliche Beziehung zu den Behandelten im Rettungsdienst nur eine untergeordnete Rolle.
Erfahrungen waren Augenöffner
Meine Zeit im Rettungsdienst war geprägt von schnellen Entscheidungen, Notfällen und ständig wechselnden Situationen. Hier lernte ich, unter Druck zu arbeiten, schnell zu reagieren und kritische Entscheidungen zu treffen. Die Arbeit war intensiv und oft emotional fordernd, aber sie lehrte mich auch viel über Teamarbeit, Kommunikation und die Bedeutung eines guten Krisenmanagements. Der Wechsel zur Hausarztpraxis war zunächst eine Anpassung. Die Geschwindigkeit war langsamer, und die Arbeit konzentrierte sich mehr auf die langfristige Betreuung und das Management chronischer Erkrankungen. Anstatt schneller Einsätze ging es nun um regelmäßige Sprechstunden, das Aufbauen von Beziehungen zu Patientinnen und Patienten und das Verstehen ihrer Lebensgeschichten.
Als Famulant in der Hausarztpraxis war ich direkt an der Frontlinie der primären Gesundheitsversorgung beteiligt. Ich begleitete den Hausarzt bei Hausbesuchen, half bei der Diagnostik und Therapieplanung und lernte, wie man effektiv mit Patientinnen und Patienten kommuniziert (insbesondere letzteres war aufgrund von Dialekt manchmal gar nicht so einfach …). Diese Erfahrungen waren oft Augenöffner, besonders wenn es darum ging, die Herausforderungen der hausärztlichen Versorgung zu verstehen: von der Bewältigung des Ärztemangels und dem Umgang mit demografischen Veränderungen bis hin zur Koordination der Versorgung für Patienten mit mehrfachen gesundheitlichen Problemen.
In der allgemeinärztlichen Praxis entdeckte ich die Bedeutung der kontinuierlichen Betreuung und der Prävention. Ich lernte, wie wichtig es ist, den Menschen als Ganzes zu sehen und nicht nur die Krankheit zu behandeln. Die Beziehungen, die ich mit meinen Patientinnen und Patienten aufbaute, waren trotz der kurzen Dauer meiner Famulatur tiefgreifend und erfüllend. Viele Patientinnen und Patienten sah ich sogar drei oder viermal innerhalb meiner vier Wochen, die ich vor Ort war. Ich verstand, dass ein guter Hausarzt auch ein Berater, Vertrauensperson und manchmal sogar ein Freund sein kann.
Empathie und Menschlichkeit
Wie ich bereits in meinem letzten Blogartikel schrieb, spielt der Aspekt der Empathie insbesondere in der Allgemeinmedizin eine tragende Rolle. Die Erfahrungen aus meiner Hausarztfamulatur erweiterten mein Verständnis für die Komplexität der allgemeinmedizinischen Versorgung. Ich sah, wie entscheidend Verständnis, geduldiges Zuhören und ganzheitliche Betrachtung in der Medizin sind. Meine Tätigkeit zeigte mir zudem die Bedeutung von Präventivmedizin und wie entscheidend es ist, Krankheiten zu verhindern, bevor sie entstehen. Insgesamt weitete mein Einsatz in der Allgemeinmedizin meinen Horizont und lehrte mich, langsamer zu werden, mehr zuzuhören und die Bedeutung von Empathie und Menschlichkeit in der Medizin wirklich zu schätzen. Ich erkannte, dass jede Rolle im Gesundheitswesen ihre eigene Bedeutung hat und dass die Vielfalt unserer Erfahrungen uns zu besseren Medizinern macht.
Abschließend möchte ich sagen, dass die Erfahrungen in der Hausarztpraxis mich daran erinnert haben, warum ich mich für die Medizin entschieden habe: um Menschen in ihrem gesamten Lebenskontext zu helfen. Der kurzzeitige Wechsel hat mich gelehrt, dass es viele Wege gibt, im Gesundheitswesen einen Unterschied zu machen. Die Allgemeinmedizin leistet dazu ihren ganz eigenen Beitrag.