Rettungsgassen und Silvesternächte

privat/DÄV
Gewalt gegen Rettungskräfte ist keine Neuerscheinung. Das hat auch unser Blogger Laurin bereits selbst im Rettungsdienst erlebt. Wie sich das Problem aus seiner Sicht entwickelt hat und wie Lösungsansätze aussehen können, beschreibt er in seinem neuesten Beitrag.

In den letzten Jahren hat sich ein Thema verstärkt in den Mittelpunkt gerückt, das immer mehr Menschen im erweiterten Bereich der Notfallmedizin betrifft: Gewalt gegen Einsatzkräfte und die Behinderung von Rettungsarbeiten. Als junger Rettungssanitäter habe ich in einzelnen Einsätzen Ähnliches erlebt und möchte deshalb in diesem Artikel darauf eingehen.

Aus vielen Erzählungen von Kolleginnen und Kollegen weiß ich, Gewalt gegen Einsatzkräfte ist keine Neuerscheinung. Das Grundproblem begleitet vor allem die Rettungsdienste schon seit Jahrzehnten und ich hatte bereits in einem früheren Blogartikel über einen Einzelfall berichtet. Seit einiger Zeit habe ich jedoch den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren zwei wesentliche Dinge verändert haben. Einerseits ist da die Quantität der Übergriffe, früher waren es vor allem Polizeibeamte und Ordnungshüter, die mit Anfeindungen und Angriffen konfrontiert wurden. Heutzutage sehen sich auch Feuerwehrleute und Rettungsdienstmitarbeitende vermehrt verbalen Attacken, Beleidigungen und sogar körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Die jüngste Silvesternacht in Berlin ist nur eines der vielen traurigen Beispiele dafür. Andererseits ist da die Qualität der Vorkommnisse, deren Entwicklung ich besonders besorgniserregend finde. Es geht meiner Meinung nach längst nicht mehr nur darum, dass Einsatzkräfte „nur“ beleidigt oder bedroht werden. Heutzutage werden schwere körperliche Verletzungen von Rettungskräften nicht nur in Kauf genommen, sondern in einigen Fällen sogar vorsätzlich herbeigeführt. Hinzu kommt das altbekannte Thema der „Rettungsgasse“, ein mittlerweile häufig diskutiertes Thema im Zusammenhang mit dem Rettungsdienst. In meinen Einsätzen im Rettungsdienst habe ich nicht nur einmal feststellen müssen, dass dieses Konzept oft missverstanden wird und nicht so reibungslos funktioniert, wie man es erwarten würde. Die meisten Verkehrsteilnehmenden kennen die Rettungsgasse und wissen, wie sie gebildet werden sollte. Das Problem sind jedoch diejenigen, die sich nicht an das Konzept halten wollen oder sich schlichtweg nicht solidarisch verhalten.

Kommunikation ist der Schlüssel

Warum kommt es zu diesem Verhalten? Die Antwort ist komplexer als die schlichte Feststellung, dass die Gesellschaft rauer geworden ist. Ich finde, das gesellschaftliche Klima hat sich verändert, und das Recht auf die eigene Meinung wird oft mit Nachdruck verteidigt. Das hat dazu geführt, dass abweichende Meinungen weniger toleriert werden. Der Rettungsdienst wird von einigen Menschen als „anders” wahrgenommen. Rettungsgassen und das Recht, mit Blaulicht und Martinshorn schneller durch den Verkehr zu kommen, werden nicht von allen gleichermaßen akzeptiert. Das kann Verständnisprobleme und bei manchen sogar Frustration hervorrufen. Ein weiteres Problem ist die „Uniform-Abneigung”, die ich selbst in einigen abfälligen Kommentaren erleben musste. Einige Menschen sehen Uniformträger als Symbole des Staates, den sie ablehnen. Für sie spielt es keine Rolle, ob „Polizei”, „Feuerwehr” oder „Rettungsdienst” auf der Uniform steht – sie sehen die Uniform als Vertreter des Staates und lehnen sie deshalb grundsätzlich ab. Glücklicherweise führen solche Spannungen nur in seltenen Fällen zu einer Eskalation. Ein Hochkochen solcher Konflikte ist der schlimmste Fall, den es in jedem Fall zu vermeiden gilt. Hier tragen sowohl Rettungsdienstmitarbeitende als auch Betroffene eine gewisse Verantwortung. Aus meiner Erfahrung hat sich gezeigt, dass Kommunikation hierfür der Schlüssel ist. Ruhe, Klarheit, Verständlichkeit und Ehrlichkeit sind in der Kommunikation entscheidend. Auch Höflichkeit und Respekt spielen eine wichtige Rolle. Wenn die Situation dennoch eskaliert, ist es wichtig, angemessen zu reagieren. Dabei steht der Eigenschutz immer an erster Stelle. In einigen Fällen kann es ratsam sein, die Polizei oder das Ordnungsamt hinzuzuziehen. Nicht nur einmal mussten wir in so mancher Rettungsdienst-Schicht die Kolleginnen und Kollegen der Polizei hinzurufen, weil ein Einsatz oder die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten zu eskalieren drohte oder gar eskalierte.

An dieser Stelle will ich ausdrücklich sagen, dass das oft gezeichnete düstere Bild nicht der Alltag ist. Ja, es gibt mit Sicherheit Konflikte und Missverständnisse, aber wirkliche Extreme sind selten. Die meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger respektieren den Rettungsdienst und seine Aufgaben. Diejenigen, die Probleme bereiten, sind meist in der Minderheit. Nichtsdestotrotz sind Gewalt gegen Einsatzkräfte und die Missachtung der Rettungsgasse ernsthafte Probleme, an denen wir gemeinsam arbeiten sollten. Insgesamt denke ich, dass das Bewusstsein für die Bedeutung des Rettungsdienstes in der Gesellschaft noch weiter gestärkt werden könnte. Es liegt deshalb in unserer Verantwortung, diese Botschaft weiter zu verbreiten und unser „Fähnchen“ für einen respektvollen Umgang mit Rettungskräften auch in Zukunft aufrecht zu halten.

 

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