Seit ich meine erste Arbeitsstelle als Assistenzärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe angetreten habe, hat sich eine gewisse Anspannung in meinen Alltag eingeschlichen. So staune ich nach sechs Jahren Medizinstudium über das Nichtwissen, das sich trotz harten Lernens großzügig präsentiert. Gepaart mit den unbekannten Abläufen der Klinik, dem täglichen Informationsbewurf, dem Zeitdruck und dem eigenen Anspruch, es so gut wie möglich machen zu wollen, habe ich mir schnell eine Grundanspannung angewöhnt, die an mir klebt wie eine hartnäckige Nacktschnecke.
Neidvoll schaue ich auf meine Kollegen, die selbstbewusst durch die Klinikgänge marschieren als hätten sie nie etwas anderes in ihrem Leben getan. Sie sind kompetent, schnell und gründlich. Was mich jedoch am meisten beeindruckt, ist diese souveräne Ruhe, die einige ausstrahlen: Ich nenne diesen Gemütszustand „Könner-Entspanntheit“. Hierbei handelt es sich um Ärzte, die ihr Fach grundlegend verstanden haben, wissen, worauf es ankommt und die sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lassen.
Sind das Gefühle, die alle Anfänger kennen?
Wie lange es wohl dauern wird, bis ich mir als Könnende diese Kompetenzruhe als Ärztin erlauben darf? Grade scheine ich noch weit weg von allem. Stattdessen erledige ich meine Arbeiten in innerer Hechelatmung und der latenten Befürchtung, es nicht gut oder richtig zu machen. Diese ersehnte Lässigkeit schwirrt in völlig anderen Sphären und scheint aktuell unerreichbar. Das sei alles normal und da müsse jeder zu Beginn durch, versuchen mich meine Freunde zu beruhigen. Jeder habe diese unerträglichen Anfängergefühle.
Mehr Leichtigkeit durch Verständnis und Humor
Ich muss mich wieder daran erinnern, dass es noch mein gutes Recht ist, unwissend und langsam zu sein und auch wenn ich es gerne anders wollte, nicht drum herum komme, Dinge zu vergessen oder oft genug keine Ahnung zu haben. Und diesem Anfängergefühl nicht mit Ungeduld zu begegnen, sondern viel mehr mit Verständnis und vielleicht auch mit Humor, erlaubt eine gewisse Leichtigkeit, aus der ich auch als Anfängerin etwas Ruhe schöpfen kann. Und für mich ist klar, dass ich diese innere Ruhe brauche, um Freude an dem zu behalten, was ich tue.
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